Fury in the Slaughterhouse – The Hearing And The Sense Of Balance

Der Gleichgewichtssinn sitzt im Inneren des Ohrs. Wenn dort etwas nicht stimmt, wird einem schwindlig und man verliert den Boden unter den Füßen. Gegen beides war man bei Fury In The Slaughterhouse lange Zeit gut versichert. Im Schlachthaus des deutschen Rock werkelten Chirurgen, die mit feinem Händchen nur noch kosmetische Operationen vornahmen und sich ansonsten von keinem Trend aus dem Gleichgewicht bringen ließen. Das neue Album läßt deshalb gewaltig aufhorchen. Nicht, daß die Furies nun auf Harcore oder Techno umgeschwenkt wären. Aber für eine Band, die mit dem letzten, ruhigen Atbum MONO immerhin Gold kassierte, klingt die neue CD reichlich mutig. Schon der Opener ‚Down Here‘, eine mollschwere Ballade mit gesampelten Countdown-Signalen, erzeugt beim Zuhörer spannende Unruhe. Auch für die übrigen Songs gilt: Wer an die Spitze will, muß sein Übergewicht an Pathos abwerfen. Mit straffen Kompositionen und abgespeckter Instrumentierung steuern die Hannoveraner aus der Schwallrock-Ecke heraus: statt fetter Rockriffs gibt es kurze Licks, verwackelte Akkorde und betont schlichte Akustik-Einlagen. In ‚Kiss The Judas‘ legen sich metallische Spitzen über knarztrockene Schlagzeug-Sounds und ‚Dancing In The Sunshine“ überrascht gar mit HipHop-Anleihen. Selbst ein schwülstiger Streicher-Schleicher wie ‚Ghosttown‘ verstopft weder die Ohren, noch irritiert er den Gleichgewichtssinn. Die Dramaturgie macht die Musik. Die Rundum-Erneuerung hat auch Sänger Kai Wingenfelder gut getan. Anders als auf MONO versucht er diesmal nicht, dreckiger zu klingen als er ist. Er dosiert seine kratzbürstige Melancholie und erreicht bei dem Police-Cover ‚Next To You‘ verblüffende Höhen. Allerdings: Bei aller Rauheit haben die Sechs auch diesmal großen Wert auf Eingängigkeit gelegt. Die warmen Melodien, die knalligen Hooklines und die charmanten Harmoniegesänge besitzen die gewohnte Ohrwurm-Qualität. So düster die Grundstimmung in manchen Songs auch sein mag, die Furies bleiben die gemäßigten Grenzgänger zwischen heimeligem Gemeinschaftsgefühl und dezenter Rebellenpose – die Proporz-Band für alle, die jenseits von BAP und Grönemeyer nach verbindlichen Botschaften gegen das soziale Bofrost-Klima suchen. Daß die Band selbst ihr fünftes Studio-Werk als Statement gegen den Einheitsbrei im deutschen Radio versteht, ist jedoch reichlich übertrieben. Die Songs sind wie zu erwarten – durchweg radiokompatibel. Und die Öffnung für Techno und HipHop dürfte ihr Marktpotential nicht eben schmälern. Fazit: Fury schwimmen nicht gegen den Strom, aber sie haben ein Album zustande gebracht, daß sie endgültig für die erste Rock-Liga qualifiziert. Veröffentlichungstermin: 27.02.