Gastkritiker – Martin Frey
artin Fry, 25, Sänger und Boss ier englischen Pop-Gala-Combo ABC, war sichtlich überrascht von der .guten Auswahl‘, die diesen Monat vom „Musikalischen Überwachungs Verein“ getroffen wurde. Nach dem ABC-Konzert in der Hamburger Markthalle plauderte der Blondschopf zwar abgespannt, aber dennoch äußerst interessiert über seine Kollegen.
Klar, daß MÜV-Mitglied Fry über ein kritisches Ohr verfügt. Immerhin setzte er mit seinen ABC-Mitstreitem David Palmer, Mark White und Stephen Singleton neue Maßstäbe in der Popmusik. Ihre Debüt-LP ist THE LEXICON OF LOVE eine perfekt produzierte Synthese aus unterschiedlichsten Stilrichtungen: Pop, Rock, Disco, Rap, Reggae, Soul und Swing – präsentiert im maßgeschneiderten Tuxedo, in glitzernden Gold-Lame-Anzügen, in der Garderobe des Mannes von Welt.
Hier nun, was Notenrichter Martin Fry im einzelnen zu seinen MÜV-Punkten verlauten ließ:
„Meine Favoriten sind ganz eindeutig Soft Cell und Fun Boy Three… absolut exzellent. Nicht daß ich unbedingt ein Fan all ihrer früheren Platten war, aber diese neuen Scheiben sind, was Melodie und Text angelangt, perfekt.
Spandau Ballet… klingen zu konfektioniert und hausgeschneidert. The Stranglers… Wenn sie das Abbild moderner Musik darstellen, dann ist’s schlecht um uns bestellt. Speziell Spandau Ballet und die Stranglers erscheinen heute so, als würden sie ihre Großmutter verschachern, nur um eine Nummer Eins landen zu können.
Wall of Voodoo… ist gut, aber zu wenige Schritte nach vorn. Immerhin erfrischend, wie auch Fehlfarben… mag ich, weil’s sehr tanzbar ist. Thompson Twins… das Album lohnt nicht das Hören, weil nur abgegriffene Klischees verbreitet werden. Wenns in eurer Notenskala eine „minus 3“ gäbe, die Thompson Twins hätten diese Wertung verdient. Haysi Fantayzee… äußerst unkreativ. Pigbag… gut, klingen nur immer wie Femseh-Kanal-Musik. Echo & The Bunnymen… habe mehr erwartet. Zwar im Vergleich zu vielen Platten dieser Liste immer, noch gut, aber ich erhoffte mir doch eine radika lere Produktion. Marianne Faithful… total ausgebrannt! Neonbabies… nicht schlecht.
Im Falle von Divine kann ich nur ein total subjektives Urteil abgeben, denn sie existiert in einer Welt für sich allein. „Pink Flamingo“ – Scratch und Sniff-Filme. Jeder, der mit diesem Projekt zu tun hat, ist für mich okay; auch ungehört eine 6.“
Soweit Martin Fry als MÜV-Gast Privat setzt der ABC-Leader hingegen auf andere ,Pferde‘:
Lieblings-Musiker:
Rickie Lee Jones, Jörn Mitchell, Temptations, Grace Jones und Clash.
Musiker, die er nicht mag:
Anti-Frauenbands wie die Associates.
Idole:
Charlie Chaplin, Jerry Lewis, Iggy Pop, The Harlem Globetrotters, Günter Grass und William Shakespeare.
Lieblings-Schrift- steller:
Dashiell Hammett, Raymond Chandler
Lieblings-Bücher:
The Long Good-Bye“ (Chandler) und die Gesamt-Ausgabe von Shakespeare
Lieblings-Filme:
„The Nutty Professor‘ mit Jerry Lewis, „The Great Rock ’n‘ Roll Swindle“, „A Place In The Sun“, „The Loveless“ und „One Man Show“ mit Grace Jones.
Lieblings-Essen:
Beef Stroganoff
Bevorzugter Ur- laubsort:
Los Angeles, New York, Houston/ Texas, Hamburg, Sheffield, Edinburgh und Dublin.
Bisher unerreichtes Urlaubs-Ziel:
Rußland
Lieblings- Lektüre:
Andy Warhol’s „Interview 1 , die italienische Ausgabe von „Vogue“.
Lieblings-Kneipe:
Hazienda-Club in Manchester. Dort klönt er gern mit den Spielern seines Fußball-Clubs Nr. 1: Manchester-United,
Lieblings-Kritiker:
Paul Morley (New Musical Express) Glenn O’Brian (Interview).
Bevorzugte Freizeit- Beschäftigung:
Tauchen, am liebsten im offenen Meer; TV-Werbespots anschauen.
Seine Deutschland- Eindrücke:
Breite Autobahnen, weite Felder, Panzer und Hubschrauber, Rokoko- und Barock-Decken, sichtbarer Reichtum im Vergleich zum „Armenhaus“ England.
Tätigkeit vor seinem Popstar-Dasein:
Gelegenheits-Arbeiter in einer Glühbirnen-Fabrik und bei der Post. Als Küchenchef fungieren.
Größte Befürchtung:
Ein nukleares Desaster bevor ABC einen Nr. 1-Hit in der BRD hat.
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