Grenzmusik
Da sage einer, es gäbe keine wirklich neue Musik mehr. David Moss behauptet: „Wir brauchen keinen normalen Rhythmus, wir brauchen nicht das übliche Ton-System. “ Wer nun meint, er müsse sich auf chaotische Improvisationen gefaßt machen, der wird angenehm enttäuscht. Die geläuterte Noise-Art des Percussionisten und Sängers aus New York scheut weder Songstrukturen noch popverdächtige Klänge. Kurzweil und überraschende Kontraste lassen aufhorchen. Trotzdem bleibt Zeit für rätselhafte Soundschöpfungen. Zur DENSE BAND (Moers Music) zählen einfallsreiche Gesinnungsgenossen aus Zeiten von Material und den Golden Palominos: Fred Frith, Arto Lindsay, John Zorn. Eine Pioniertat! (5)
Donkey Kongs Multi-Scream: LIVE IN WILLI-SAU (Bid/Bellaphon) – Weather Report aus der Schweiz? Das mit zweifachem Baß und rockiger Gitarre tanzbar besetzte Sextett scheut auf der Bühne kein Risiko: rasante, aufwendig gebaute Titel, raffiniert verschränkte Themen- die Nähe zu Zawinuls Mannen ist nur eine von vielen Seiten dieser vielversprechenden Formation. (4)
Das Debüt der drei MAX-Mitglieder aus Düsseldorf (verstärkt um den Ex-Shannon Jackson-Trompeter Henry Scott III) hat sie zum Glück – die vom LP-Titel beschworene PERSONAL NOTE (Moers Music), die tanzbarem Funk-Jazz sonst so häufig fehlt. Musiker unterschiedlicher Herkunft (vom Contact-Trio bis Ja Ja Ja) haben sich zusammengerauft: Eleganz und Power, ohne daß die Kalkulation aufgesetzt wirkt. (4)
Bandoneon allerorten – wo bleibt das gute alt« Akkordeon? Der skandinavische Multiinstrumentalist Lars Hollmer, Kopf der Kulthand Zamla. bestreitet sein viertes Solo-Album vor allem auf der“.Quetsche“. Musette-Walzer. Balladen, schwedische Volkslieder- aber auch schottische Ausgelassenheit, Kinderstöhnen. Synthi-Experimente: Wer Sinn für nördlichen Folk-Pop hat, der wird TONÖGA (KRAX/EfA) lieben. (4)
Herzlich willkommen: The Guest Stars, sechs Frauen aus England, machen durch ihre Spielfreude locker wett. was ihren Jazznummern an Souveränität fehlt. Vierstimmige Satzgesänge sind das Markenzeichen ihrer Mixtur aus Gospel. Latin, Swing. Rock. Reggae, Funk und Afrikanischem. (4)
Neues aus dem Umfeld von Tuxedomoon: Blaine L. Reininger hat mit seinem Tourbegleiter AJain Goutier schwerblütige Popsongs eingespielt. Ihr Minialbum PARIS EN AUTOMNE klingt düster, aber beileibe nicht depressiv. (4)
Schwerer macht es Winsion Tong dem geneigten Hörer: Die kurze A-Seite (45 rpm) seiner REPORTS FROM THE HEART (beide: Normal/EfA) würde noch bestens mit Reininger auf eine Cassette passen. Seite zwo überrascht dann bei 33 Umdrehungen mit einer verhaltenen Suite: tastende Lyrics. zu sparsamsten Pianoklängen rezitiert. (knapp: 4)
Apropos Minimalismus: Den bringt Philip Glass in Verruf, wenn er – wie bei der Musik zu Paul Schraders Film MISHIMA – banale Entwicklungsarmut orchestral aufplustert. (WEA. 2) Dann besser gleich Kammermusik, für deren Substanz Komponisten von Cesar Franck bis Schostakowitsch bürgen: Gidon Kremer hat das Doppelalbum EDITION LOCKENHAUS VOL. 1 (auf dem er selbst nur kurz zu hören ist) für ECM zusammengestellt. (Für Anhänger des Genres: 4)
Mit der Stille liebäugeln der Aachener Gitarrist Harald R. Rey und sein Septett Indiscreet. Nach dem verheißungsvollen Einstieg mit einer Sprechfuge und jazzgeschulten Improvisationen ging mir bald der rote Faden verloren – bis gegen Ende das Konzept für DIFFICULT TO CONTRIBUTE SILENCE (Nabe!/Ef A) per Wink mit dem Zaunpfahl deutlich wird: Stille, wörtlich genommen. (3) Bitte fragt mich nicht, wer Ramuntcho Matta ist. Ich weiß nur, daß sein aus ironischen Miniaturen zusammengepuzzeltes Ballettwerk einen Katalog verführerischer kurzer Filmmusiken abgäbe, der ständig die Frage provoziert: „Und was kommt jetzt?“ Ein Musikalien-Zoo für Kuriositätensammler (Mosquito/EfA. 3).
Wer Chris Abraham als Pianisten der australischen Jazzgruppe The Benders kennt, wird mit Staunen feststellen, wie gut das Solo-Album dieses Musikers (Hot Record) in der Abteilung moderne E-Musik aufgehoben wäre. (3)
Die Ambitionen des Herren sind ungleich höher als die seiner amerikanischen Kollegin Liz Story, die zwar von Bill Evans schwärmt, auf UNACCOUNTABLE EFFECTS (Teldec), aber nur dort über Jarrett-orientierte Stimmungsbildchen hinauskommt, wo sie sich um ausgeprägte Liedstrukturen bemüht. Immerhin reizvoller als das Zugpferd ihres Windham Hill-Labels, der Romantik-Seichbeutel George Winston. (3)
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