Hauschka

What If

City Slang/Universal

Wie mit 1000 Ameisenbeinen: Volker Bertelmann bearbeitet nicht mehr nur sein präpariertes Piano.

Eine kleine Ameisenstraße könnte das sein. Klingt wie 1000 Beinchen, auf denen Kleinstfundstücke transportiert, verschoben und weitergereicht werden. Ziel: noch unbekannt. Es kribbelt so schön, bevor die Töne vom Piano verweilen dürfen und der informierte Hörer Hauschka erkennt, am Beginn einer Klangexpedition, die ihn weit über die Destinationen vergangener Alben hinaus­führt. Über die romantische Heimat-Platte FERNDORF (2008) oder die Geisterstadt-Phantasien auf GHOST TOWNS (2013) hinaus in Richtung eines Gedankenexperiments.

WHAT IF heißt das neue Werk des Düsseldorfers Volker Bertelmann, es stellt gerade alles in Frage, was eben noch galt, und wird damit zu einem hochaktuellen Statement – abstrakt im Sound und überraschend konkret in den Tracktiteln. Ja, was wäre, wenn man vertrieben würde und ein Exil aufsuchen müsste, wenn unsere Kinder auf dem Mars lebten oder wir 1000 Jahre alt werden würden. Hauschka übersetzt all die Ungewissheiten und Imaginationen in verschiedene Klangstoffe und -farben. Da werden Melodien intensiv umkreist, Beats gebrochen und orchestrale Sounds zerrissen. Dazu kommen spacige Fahrten auf dem Moog-Bass, ein programmiertes Player-Piano, mehr Synthesizer als zuletzt – WHAT IF ist für Hauschka-Verhältnisse ein Club-Album geworden.

„Constant Growth Fails“ markiert des Künstlers Highspeed-­Rekordmarke, das Piano galoppiert ohne Unterlass, als steuere es auf eine Klippe zu, kann da jemand noch rechtzeitig die Bremse ziehen? Hauschkas Kommentar zum wahnsinnigen Wirtschaftswettlauf. Das Rascheln, Trippeln und Kribbeln, das er seinem präparierten Piano später wieder entlockt, signalisiert Entspannung, Entschleunigung, Kontemplat­ion. Hausbesuch beim Piano-Magier. Ein besseres Einstiegsalbum für Hauschka-Entdecker gibt es nicht.