Helen Schneider – Schneider Wtth The Kick
Ich mochte die Schneider schon immer. Als Sängerin und als Frau. Auch zu Zeiten, als sie noch als Barbra Streisand’s kleine Schwester apostrophiert in Samt und Seide durch die Lande zog, mit dem orchestrierten Programm ihrer SO CLOSE und LET IT BE NOW -Alben und beschlipstes Mittelalter mit ihrem „Valentino Tango“ in sexuelle Phantasien stürzte. Ich dachte zwar bei mir, die Lady ist noch viel zu jung, um in ein paar Jahren in Las Vegas zu enden. Aber was geht’s mich an… Was sie macht, macht sie akzeptabel. Sie verkauft sich gut.
Mit CRAZY LADY (einem echten Zwitterwerk zwischen Gestern und Morgen) und als Gast auf der letzten Lindi-Tournee (viermal hab‘ ich mir das freiwillig reingezogen) stellte Helen ihr neues Selbstverständnis vor: Orchester ade, Rockband ole…
Nun hat die Stunde der Wahrheit für Helen Schneider geschlagen. Rechtzeitig zur großen Deutschlandtournee ab Mitte Mai ist ihr 2. WEA-Album erschienen. Und bevor mir die Cassette vorlag, konnte ich Helen in Horst Buchholz‘ gesichtsloser und verkrampfter Astro-Show (einfach widerlich!) bewundern. Und „Shadows Of The Night“ machte die Hoffnung auf ein sehr gutes Album mit melodiöser Rockmusik, anspruchsvoll und dynamisch produziert, eine konsequente Fortsetzung der auf CRAZY LADY stellenweise angedeuteten Entwicklung (so in Jimmy“).
Als ich WTTH THE KICK zum ersten Male in voller Länge durchgehört hatte, urteilte ich zunächst spontan: um Klassen besser als CRAZY LADY. Frische, unverbrauchte Rockmusik, von einer geilen Gruppe, einer prägnanten Rumpfmannschaft aus Gitarre (Johnny Rao), Bass (Ivan Elias) und Schlagzeug (Thommy Price) gespielt, ungekünstelt produziert (Ed Stasium) mit einem fast rauhen/ rohen Sound und (teilweise) nahezu archaischen Kompositionen. Und dennoch habe ich Zweifel an meiner obigen Wertung.
Zweifelsohne wird KICKDiskussionen auslösen. Wie jene zwischen Gaby und mir am Telefon. Über die Einschätzung der LP wird es keine grundsätzlichen Streitigkeiten geben. SCHNEIDER WITH THE KICK ist gut, die Band perfekt, die Sängerin excellent. Nur ob das Album als solches wirklich rund ist, ob alle Kompositionen zusammenpassen und eine Einheit dokumentieren, das ist die Frage…
Gaby meint (etwa sinngemäß) da habe sich eine gute Sängerin unter Wert verkauft, krampfhaft versucht, unbedingt eine Rock’n’Roll-Sängerin abzugeben, die sie nicht sei. Balladen ständen ihr besser zu Gesicht. Ich denke, daß die kurzfristige und im Herbst noch nicht geplant gewesene Trennung von Produzent John Paul Fetta bewirkt hat, daß man in Eigenregie zwei bis drei Stufen auf einmal nehmen wollte. Ich möchte hier und jetzt nicht entscheiden müssen, ob Helen ihr Ziel „Rocksängerin“ (wieder) erreichen wird oder nicht, ob sie ihren antrainierten Musical-Touch wieder gänzlich aus der Stimme herausbekommen kann. Die Musikist ihr auf KICK jedenfalls vorausgeeilt, obwohl dadurch „Rock’n’Roll Gypsy“ und „Trinker Tailor“ ihren speziellen Reiz aus dieser Widersprüchlichkeit beziehen. Reizvoll ist auch der Spieldosensong „Dream Is Over“. Und das balladeske „I’d Like To Be A Child Again“ präsentiert Helen’s variable Stimme wie gehabt.
Ansonsten hat man das Gefühl, daß das Songmaterial (darunter auch unnötige Coverversionen von „You Really Got Me“ und „Don‘ t Let Me Be Misunderstood“) Helen’s Stimme eher beschneiden, denn mit ihrer ganzen Persönlichkeit weiterbringen. Das Selbstverständnis der Schneider ist (musikalisch) noch immer nicht klar definiert. Vielleicht bringt uns die Begegnung mit Schneider auf der Bühne weiter…
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