Herrenmagazin

Atzelgift

Vielleicht geht’s ja so: Vielleicht ist das jetzt endlich die Band, die Emotionen, Punkgitarren und deutsche Texte überzeugend zusammenführt. Eine Begriffsanhäufung, die einem eigentlich unmittelbar eine Oase des Angstschweißes auf den Rücken gedeihen lässt. Denn meistens missrieten solcherlei, nicht seltene Kombinationen nicht selten zu affektiertem Schindluder. Das Dagegensein als oberflächlicher Identifikationsstifter. Die Musik als konstruierte Ausrede zum Sich-den-Frust-von-der- Seele-Saufen. Der Song als musikalisches Pendant zum Ché-Guevara-Porträt über der WG-Couch, zum Nietenblickfang- gürtel unterm Popo. „In unserem aufgeräumten Wohlstandsstaat muss aber doch wohl niemand so laut gegen sein Leben anbrüllen“, hieß es dann von des Besserwissers Seite – wenn auch eher gedacht als ausgesprochen. Wer will schon was riskieren. Alles Bullshit. Natürlich kann man brüllen. Natürlich kann man immer und überall leiden. Und dennoch will dieses Können gekonnt sein.Die Hamburger Herrenmagazin machen’s vor und hoffentlich niemand nach. Denn wie Sänger Deniz Jaspersen gleichzeitig viel von sich preisgibt, ohne sich dabei aufzudrängen, ist offensichtlich nicht jedermanns Talent. Auch der Einklang, mit dem der Rest seiner Band (u. a. der hier als Drummer fungierende Das-Bierbeben-Gitarrist Rasmus Engler) drückende Hymnen wie das wunderbare „Geht nicht über Nacht“ um Jaspersens Zeilen aufzieht, war bislang ungehört. Dann noch die Songnamen: „Lnbrg“, „Der langsame Tod eines großen Tieres“ und der Titeltrack „Atzelgift“ – das schönste Wort in deutscher Sprache? Eigentlich wäre vor dem Hintergrund so vieler Bands, die Ähnliches versuchten und dabei entweder in der Dichter- und-Denker-Falle krepierten oder ihrer fehlenden Motivation zum Opfer fielen, zu erwarten, dass Herrenmagazin nicht funktionieren dürften. Sie tun’s doch.

Stephan Rehm – 25.06.2008

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