Ich, Daniel Blake :: Regie: Ken Loach

Für das britische Sozialdrama gewann Regisseur Ken Loach die Goldene Palme in Cannes. Eine Kritik von Thomas Hummitzsch

Fragebögen von Behörden zielen gern mal an der Wirklichkeit vorbei, aber das, was Daniel Blake in Ken Loachs neuem Sozialdrama erlebt, ist an Absurdität kaum mehr zu übertreffen. Nach einem Herzinfarkt attestieren ihm seine Ärzte, dass er nicht mehr arbeiten kann. Der gelernte Zimmermann beantragt ungern Sozialhilfe, aber es muss sein.

Beim routinemäßigen Gesundheitscheck wird er von der Amtsärztin zur Konsistenz seines Stuhlgangs und zur Beweglichkeit seiner Extremitäten befragt. Als er darauf hinweist, dass die Befragung sinnlos sei, wenn man nicht mal auf sein Herz zu sprechen komme, wird ihm das Wort abgeschnitten und der Antrag abgelehnt.

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Der Mittfünfziger ist ein typischer Vertreter der weißen britischen Arbeiterschicht. Er mag kauzig sein, ein Sozialschmarotzer ist er ganz sicher nicht. In dem kaputt privatisierten britischen Sozialsystem wird er aber als solcher behandelt. Im Jobcenter trifft er auf die junge Katie, die dort vergeblich Unterstützung für sich und ihre beiden Kinder Daisy und Dylan sucht. Blake springt für den Staat ein, repariert die marode Sozialhilfewohnung der Kleinfamilie, begleitet Katie zu den Tafeln und kümmert sich liebevoll um die Kinder.

Ken Loach ist die moralische Instanz Großbritanniens, hat seinen Landsleuten immer wieder den Spiegel vorgehalten. In seinem neuen, mit der Goldenen Palme ausgezeichneten Sozialdrama führt er die Kälte des britischen Fürsorgesystems infolge der hemmungslosen Privatisierung eindrucksvoll vor Augen. Er stellt die existenziellen Nöte der Bedürftigen den absurden Forderungen der Ämter gegenüber und präsentiert einen Mann, der aus dem Schatten seiner Sozialversicherungsnummer tritt und bis zum Schluss um seine Würde kämpft. Ein Film wie ein Faustschlag.

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