James Taylor :: Frankfurt, Alte Oper

Mit einem einzigen Song, mit „Fire and Rain“ wurde James Taylor 1970 zur Folk-Legende. Er war der Prototyp des Singer/Songwriters der frühen 70er Jahre, der innere Zerrissenheit in sanfte Worte faßte. 1971, mit seiner LP SWEET BABY JAMES in den Top Ten, kam er zum ersten und bislang letzten Mal nach Europa. Am 13. März nun kehrte er nach 15 wechselhaften Jahren zurück und startete in der Alten Oper seine zweite Europa-Tournee.

Es wurde ein Triumphzug: In die ausverkaufte Oper war nicht etwa das erwartete Aufgebot nostalgischer Spät-Hippies gekommen, sondern ein adrettes und vor allem überraschend junges Publikum, überwiegend Leute, für die „Fire And Rain“ und Taylors Version von Carole Kings „You Got A Friend“ nie die Aufbruchshymnen in eine vermeintlich bessere Zeit waren.

Trotzdem donnert minutenlang Applaus, als sich James Taylor -— schmal, schüchtern und ein wenig linkisch —- allein mit seiner Gitarre ans Mikrofon stellt. Mit einigen hilflosen Gesten muß er schließlich den Beifall bremsen, um überhaupt beginnen zu können.

Ein Konzert mit drei Stücken auf der akustischen Gitarre zu eröffnen, ist heutzutage sicher ein Wagnis. Doch Taylors Rechnung geht auf: Es wird mucksmäuschenstill. die Zuschauer hängen an seinen Lippen -— und Taylor schleicht sich leise und unmerklich in ihre Herzen.

Die folgenden zwei Stunden und zehn Minuten sind eine Offenbarung — eins jener seltenen Ereignisse, wo man bei Beginn schon Angst vor dem Ende hat.

Taylors Band besteht aus Session-Giganten, die sich normalerweise nie herablassen, auf Tournee zu gehen. Für ihn machen sie mit offensichtlicher Freude eine Ausnahme: Dan Dugmore spielt elektrische und Pedal Steel Guitar, Ex-Little-Feat Bill Payne meistert die Keyboards, am Baß Leland Sklar. Musler-Hippie mit Rauschebart und oberarmlanger Mähne -— seit Taylors erster LP immer wieder an seiner Seite. Wenn überhaupt jemand, hat er den Begriff laid-back miterfunden. Niemand zupft cooler.

Der Reigen bekannter Namen wird von dem engelsgleich singenden Chor vervollständigt: Rosemary Butler und Arnold McCuller glänzen in der Abteilung „Wonnevolle Gänsehaut“.

Und das, obwohl an diesem Abend mehr als ein Ton danebengeht. Es ist der erste Abend der Tournee — und da klemmt halt gelegentlich noch ein Riff. Taylor und die Musiker quittieren Spielfehler mit wissendem Grinsen. Ertappt!

Mit unschuldigem Charme, der ihn eher wie einen Assistenzprofessor für Vogelkunde denn wie einen Rockstar wirken läßt, moderiert Taylor gelöst durch ein Programm, das aus der Fülle seines riesigen Repertoires schöpft. Er spielt einfach alles, was einem essentiellen Taylor-Fan teuer und heilig ist. Dazu die besten Songs seiner wunderschönen neuen LP THATS WHY TM HERE.

Dennoch bleibt es nicht aus, daß seine Landsleute im Publikum mit gewohnt schlechtem Stil lautstark einen Musikwunsch nach dem anderen fordern – so als sei die Alte Oper ein drittklassiger Honkytonk und Taylor ein ebensolcher Wochenend-Mucker. Als es ihm schließlich doch zu bunt wird, erklärt er gespielt lehrerhaft, man solle sich doch gedulden, hebt seinen Spielplan vom Bühnenboden und meint: „Keine Sorge, kommt alles noch, wir sind erst in der Mille. „

Das Ende kommt schließlich doch. Taylor, Butler und McCuller verabschieden sich mit einer A Capella-Fassung von „That Lonesome Road“. Und auf die schicken sie uns dann viel zu früh.