Jamie Lidell – Multiply

„Im a question mark, a walking talking question mark“, singt Lidell in „What’s The Use?“. Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. In der Vergangenheit hat man sich nämlich des öfteren gefragt, was denn bloß in ihn gefahren sei. So entsprang Muddlin Gear, sein erstes Album für Warp von 2000, noch dem Irrglauben, dem laptopgenerierten Noise-Terror gehöre die Zukunft. Auf seinem neuen Album erinnert nur noch wenig bis gar nichts an diese Episode. Stattdessen widmet sich Lidell einem Sound, der ihn schon seit seiner Mitarbeit bei Super Collider beschäftigt. Multiply ist ein Soul- und Funkalbum alter Schule, das sich anhört, als sei es vor 1985 produziert worden. Retro statt Aggro – es gibt keine übercleveren Kunstgriffe mehr zu bestaunen, dafür umso mehr Musik mit echtem Songcharakter. Der Titelsong verbreitet authentisches Südstaatenflair einer Produktion von Willie Mitchell. Bei „When I Come Back Around“ könnte man denken. Prince hätte die einst von ihm protegierte Funkband The Time vom Stapel gelassen. Wer die Motive Lidells bezweifelt und wiederum nur Gimmicks vermutet, wird mit der Ballade „What Is It This Time?“ eines Besseren belehrt, die mit intensivem Blues-Gesang gefangennimmt. Lediglich „The City“ ist mit verhalltem Krach etwas fehl am Platz. Sonst hat das wandelnde Fragezeichen zum ersten Mal eine wirkliche Duftmarke gesetzt. VÖ: 13.6.

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