Japan – Vier Alben

Erst vor wenigen Monaten legte EMI die vier finalen Alben Japans auf. Da lässt sich BMG Ariola nicht lange lumpen und wühlt drei Longplayer und eine Raritätenkopplung aus den Archiven hervor, ergänzt großzügig mit Bonuscuts und sogar diversen ultrararen Videoclips. Der Wahnwitz dabei ist, dass die ursprüngliche Vertragsfirma Hansa Berlin, die 1978 mit dem effeminterten Quintett aus dem Londoner Vorort Lewisham vorzeitig ein Glam-Rock-Revival einzuleiten versuchte, die vorzüglich aufgemachte Neuauflage für den hiesigen Markt komplett ignoriert und die lang gesuchten Sammlerstücke nur über UK-Import erhältlich sein werden. Schade, denn die nicht nur optisch gelungene Antwort der Briten auf die New York Dolls offerieren auf drei Alben der Jahre 1978 bis 80 drei komplett verschiedene Stilansätze, die selbst mit dem Abstand von zweieinhalb Dekaden noch hörenswert klingen. Mit dem schlüpfrigen Debütwerk adolescentsex im seltsam verderbten Soul-Wave-Zuschnitt empfehlen sich der für die Kompositionen nahezu im Alleingang verantwortliche Bardot-VerschniU David Sylvian und seine schrill gekleideten Kollegen als für Teenagerherzen weitaus tauglichere Pin-up-ldole als alle Bay City Rollers, Kennys, Leif Garretsund Sean Cassidys, die in jener Ära von Bravo und Popcorn gepusht wurden. Im rauen Cockneyslang röhrt Sylvian über die Tücken der Vorstadt („Suburban Love’l, fabuliert auf den Punkt über die Volksdroge Nummer eins „Television“] und klärt seine juvenile Klientel über „Communist China“ auf. Noch maliziöser gerät wenige Monate später das im düsteren Dub-Reggae-Style aufgezeichnete obscure alternatives. Im vertrackten Dschungelhall wuchert ein ernüchternder Report über das krisengeschüttelte …..Rhodesia‘, prophezeit Sylvian in Prä-AIDS-Tagen eine neue lebensgefährliche Krankheit „Love Is Infectious“], preist die Vorzüge einer „Automatic Gun“. erhebt „Surburban Berlin“ zum künstlerischen Dreh- und Angelpunkt und wandelt mit der Synthie-Elegie „The Tenant auf Brian Enos und David Bowies Spuren. Im Januar 1980 überraschen Japan abermals mit innovativem Chic, nehmen sowohl optisch wie neutönerisch den Manierismus von zukünftigen Wave-Poppern wie Duran Duran und Spandau Ballet vorweg: Auf quiet life tuckern statt Gitarre, Bass und Schlagzeug wohltemperierte Synthesizer, Sequenzer und Rhythmusboxen in sakraler Abgeschiedenheit, unterzieht Sylvian sein nunmehr nach Bryan Ferry und lan Anderson klingendes Timbre einer kompletten Wandlung – versponnen, sensibel und asketisch zugleich. Auf ausgedehnten Oden wie „Despair“, „In Vogue und „The Other Side Of Life“ verbindet sich britische Schrulligkeit mit buddhistischer Weite, schwarzmelancholischer Romantik und subtiler Brutalität. Eine elegische Interpretation des Velvet-Underground-Evergreens „All Tomorrows Parties“ belegt die Nähe zum Nihilismus Lou Reeds und seiner einstigen Muse Nico. Mit dem Wechsel zu Virgin besinnt sich BMG Ariola im Herbst 1981 nochmals seiner ehemaligen Schäfchen und legt die Kompilation assemblage vor: Neben einem großzügigen Querschnitt aus den Originalalben finden sich mit „European Son“, „Stateline“, der Giorgio-Moroder-Produktion „Life In Tokyo“ und der Smokey-Robinson-Coverversion von „I Second That Emotion“ gesuchte Raritäten.