Jethro Tull :: The Broadsword And The Beast
Als altem Jethro Tull-Freund (ja ja!), der allerdings immer noch THIS WAS und STAND UP für Ian Anderson’s beste hält, fällt mir die Einordnung von BROADSWORD AND THE BEAST nicht leicht. Das liegt wohl vornehmlich an der Tatsache, daß man einerseits Andersons Bemühungen um einen zeitgemäßeren Sound bemerkt, dies andererseits aber nur teilweise aus den Rillen hervorquillt. Nun, kurz und knapp verbinden Tüll hier mehrere ihrer unverkennbaren Qualitäten ebenso wahllos wie souverän: Anderson’s immer noch unnachahmliche Stimme, einige Flötenhopser, Martin Barre’s röhrende Gitarre, dazu einige Sprengsei an Folk und etliche Tempiwechsel. Die Songs „Pussy Willow“ und „Beastie“ erinnern an AQUALUNG-Zeiten, „Clasp“ könnte von BENEFTT stammen, überhaupt tönt die Platte Jethro Tull-iger als die letzten Vorgänger. Dabei wirken Anderson’s Folk-Zitate weit kompetenter und leichthändiger als vergleichbare Versuche von etwa den Geschwistern Oldfield. Leider wird gelegentlich der Synthie arg eff ektheischerisch eingesetzt, obzwar es gerade im zitierten „Beastie“ voll hinhaut. Was denn letztendlich BROADSWORD recht angenehm klingen läßt: Jethro Tüll spielen weder peinlich krampfhaft Neu welliges (von wegen: hört, wie modern wir doch sein können) noch ausschließlichden alten Zopf von damals. Im Vergleich mit anderen Kollegen ihres Alters (vgl. die Band Asia m diesem Heft) schneiden sie sogar sehr gut ab. Was, wie könnte es anders sein, nach wie vor an Ian Anderson liegt: Komponieren kann der Kerl immer noch. 4 Wolfgang Bauduin ziert ist die Version der A-Seite jedenfalls, eine Mischung aus Jimmy Ruffin-Schnulze und poppigem Überschwang. Trifft wie der vergiftete Pfeil mitten ins Herz, kann mit dem Niveau der B-Version (Titelsong „Man Trap“) jedoch nicht mithalten. Die perlt angeswingt über’s Piano ab und ist durch und durch sophisticated. (Phonogram). Auch sehr gelungen: Haircut 100 mit „Love Plus One“ auf. 12″, eine lange Version des LP-Tracks. Nach dem etwas ländlich anmutenden Intro entwickelt sich eine schöne Nummer zum Tanzen und Träumen. Der bis jetzt beste Wurf der Band (Ariola). Die anstehende Verbindung von New Romantic und östlicher Weisheit demonstrieren nicht nur Spandau Ballet. Mobile Suit Corporation nennt sich ein Unterlabel der Phonogram England, und dort sind zwei 12″ dieser neuen (?) Richtung erschienen: Vicious Pink Fhenomena, bekannt als Backgroundchor von Soft Cell, bieten auf „My Private Tokyo“ allerdings nur mittelmäßigen Disco mit entsprechend-östlichem Etikett. Interessanter und besser: die Gruppe Monsoon, die auf Ever So Lonely“ tatsächlich so etwas schaffen wie eine Synthese aus europäischer und asiatischer Tanzmusik. Dabei sind Tablas und Rhythm-Sitar, doch von Räucherstäbchen gibt es keine Spur. Ein fröhlicher Frühlingshit mit Klasse. Dem, der das zu ungewöhnlich findet, sei „Because You’re Young“ von Private Lives empfohlen. Hier bekommt der Tänzer Funk-Einflüsse, eine poppige Melodie (Jugendhymne) und Gary Bamades heisere Sax-Läufe zu hören. Nicht umwerfend, aber gut (Ariola). Auf dem Gebiet des Rap ist wohl mit keinem Sensationen mehr zu rechnen, das Prinzip ist zu leicht durchschaubar. J. Walter Negro & The Loose Jointz liefern auf „Shoot The Pump“ größtenteils Routine, doch bewahren ein paar herrlich kaputte Gitarren-Soli das Werk vor dem Schicksal einer Durchschnitts-Single (Ariola). Europäisch-kühl sind die Rap-Versionen von Ministry auf der 12″ „Gold Life“, wo es zwar recht kraftvoll-aggressiv zugeht, aber trotzdem nicht 1 OO°/oig überzeugend (Situation 2). Zum Ende der Tanz-Sektion. Und noch ein kleiner Bonbon in Gestalt einer transparenten 12″ mit der Original-Version von „Tainted Love“, gesungen von Bolan’s letzter Ehefrau Gloria Jones. Auf der B-Seite 10 (!) weitere alte Northern-Soul-Originale (Inferno). Neues von den unabhängigen Labels, Teil 1: England. Sehr ruhig und folkloristisch geht es auf der 12″ „Summer Into Winter“ zu, die Ben Watt unter Mithilfe von Robert Wyatt einspielte. Melancholische Lieder mit viel Hall/Echo, trotz Wyatts Anwesenheit etwas zu beschaulich geraten (Cherry Red). Auch schön, nur keyboardlastiger klingt die 12″ von Bron Area, JDiff erent Phrases“ hat von den drei Tracks noch am meisten Swing auf seiner Seite (Glass). Dead Or Alive aus Liverpool sind nach ihrer guten Erst-Single zu sehr in Richtung Depro abgedriftet. Jt’s Been Hours Now“ könnte fast von Theatre of Hate stammen (Rough Trade Vertrieb). Ahnliche Schwächen, doch besserer Gesamteindruck bei den Modemaires aus Manchester. Die vier Tracks auf „Bend“ klingen zwar auch etwas formlos, haben aber Charme und Swing (Illuminated). Das Richtige an dieser Stelle ist dann J Get So Exited“ von Levi Dexter & The Ripchords, moderner Rockabilly im stilgetreuen Glanzkarton-Cover, produziert von Richard Gottehrer (Fresh). Schon etwas älter, doch bisher schmählich übergangen die letzte Single der wunderbaren Anette Peacock. Die große Jazz-Avantgardistin im ätherischen Arrangement, das ihrer hocherotischen Stimme so sehr zustatten kommt: „Sky Skating“ (Ironie). Benelux, genauer: Belgien. Dort kommt interessantes von dem Parsley-Label: Red Zebra klingen stark nach Joy Division & Co., besonders auf ihrer 12″ „Bastogne“. Ihre Single „Lust“ schöpft ebenfalls aus britischen Quellen und mixt Brit-Funk-Rhythmus mit Cure-Gitarren. Gleicher Rhythmus bei den Parking Meters, doch überzeugt „Shanghai Express“ durch ausgefallene Gitarrenund Piano-Einlagen, die dem Song mächtig Power geben. Sehr gut die Mischung verschiedener Einflüsse bei Rick Tubbax Space-Disco-Psychedelia-Nummer „Credo“. Spannung und Mystik, trotzdem viel Aktion. Harte Elektronik mit Cabaret Voltaire-Einfluß auf der 12″ von Luc Van Acker. Vier Songs ohne Titel, ein Ritual. Passender Gegensatz dazu die strahlenden Chorgesänge von Luna Twist auf ihrer 12″-Tannzschaffe JUrican Time“. Besser als 90% der Londoner Mode-Tanzplatten. Originellstes und bestes Produkt in dieser guten Konkurrenz: Arbeid Adelt! mit JDe Dag Dat Het Zonlicht Niet Meer Scheen“. Elektronisch, rhythmisch, sehr ansteckend und stränge. Beste deutschsprachige Single dieses Monats ist eine Wiederveröffentlichung von 1980: „Geile Tiere“ von Geile Tiere, wo der Medienkünstler Salome zu divesen Geräuschen über Sex und seinen Einfluß auf die Konversation doziert (GeeBeeDee). Foyer Des Arts und „Eine Königin mit Rädern untendran“ sind jetzt neuveröffentlicht von der WEA. Der Neue-Heimat-Skandal soll nun auch noch anderen zur Bereicherung dienen. Aus Musikern verschiedener Kölner Gruppen rekrutiert sich die Band Neue Heimat und singt alte, gewerkschaftsfeindliche Witze, von denen weitere auf dem Cover zu lesen sind. Wer’s braucht… ( „Ich bau dir ein Schloß“, Metronome). Da ist selbst Wien noch besser: Falco und sein Rap-Krimi „Der Kommissar“ (Teldec), mehr darüber unter „News“. Neue Singles Zuerst die großen Stars mit ihren kleinen Neu Veröffentlichungen: Da wäre David Bowie, der im Moment auf den verschiedensten Gebieten aktiv ist. Die RCA veröffentlichte eine EP mit ganz gelungenen Songs aus der englischen TV-Version des Brecht-Stückes BAAL mit David Bowie. Und seine neue Single „Cat People (Putting Out Fire)“ entstand im Teamwork mit Disco-Producer Giorgio Moroder als Soundtrack für den gleichnamigen Film. Bowie überzeugt mit seiner Überagenden Stimme, der musikalische Teil kommt über guten Durchschnitt jedoch nicht heraus. (Ariola). Blondie: Ihre Version von Bowie’s „Heroes“ ist zwar bereits vor zwei Jahren entstanden, kann aber nur mit der Wertung „genial“ versehen werden. (Ariola). Flau dagegen das 1982er-DebütvonRoxy Music, ihr „More Than Thia“ kann man ein Dutzend Male auflegen, hängen bleibt jedoch nichts. Nur fürs Auto geeignet. (Polydor). Nach dem Rückzug von Kalte, Eis und Schnee sprießen aufs Neue die Blüten auf den Tanzböden. Da hätten wir an erster Stelle ABC zu nennen, deren „Poison Arrow“ nicht umsonst hoch in den englischen Charts platziert.
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