Es klingt merkwürdig, wenn sich eine Band, die wie keine andere unter dem Arbeitstitel „Bonjour Tristesse“ Musik macht, Joy Division“ nennt. Und doch ergibt es einen Sinn. Denn die intensive Auseinandersetzung mit dem Gefühl der Ohnmacht und den eigenen Depressionen brachte Ian Curtis (Gesang), Bernard Albrecht (Gitarre und Synthesizer), Peter Hook (Baß) und Stephen Morris (Schlagzeug) den Spaß, den sie zum Weiterleben brauchten. Sie gaben Konzerte zur Selbsttherapie. Deshalb war ein Titel wie UNKNOWN PLEASURES für das Debütalbum auch keineswegs zynisch gemeint. Und daß Sänger Ian Curtis vor ein paar Monaten mit seinen chronischen Depressionen nicht mehr weiterleben mochte und sich umbrachte, verdient keine Häme. Noch vor seinem Tod wurde „Closer“ aufgenommen. Doch das Album klingt eigenartig unfertig. Es wirkt weit weniger robust als die erste LP. So eindeutig die rhythmischen Betonungen sind, so verwischt verweht scheinen die zerbrechlich anmutenden harmonisehen Strukturen. Das treibende, nervöse Schlagzeug beherrscht neben der unsicheren Vokalistik von Sänger Ian Curtis die Stimmung der Isolationsphantasien und apokalyptischen Visionen, der kalten und verhallten Elegien auf die Neonzeit. Dramaturgische Effekte entstehen bei Joy Division durch fast penetrante Wiederholungen der sparsamen Melodiebögen. Handwerklich und aufnahmetechnisch sind die Stücke von „HeartAnd Soul“ über „The Eternal“ und „Decades“ bis „A Means To An End“ ohne Makel. Produzent Martin Hannett hat daran sicher einen erklecklichen Anteil wie auch daran, daß die Musik eine stilistische Einheit ist. Das macht die beiden Platten der Gruppe auch glaubwürdiger als die Zufallsproduktionen der anderen Weltuntergangs-Astheten, von dem aufgesetzten Getue Gary Numans ganz zu schweigen.

Genauso wie man sich nicht der realen Bedrohung durch Atomkraftwerke, Umweltzerstörung und Kriegsgefahr sowie einer gesellschaftlichen Perspektivlosigkeit entziehen kann, geht einem auch dieses neurotische Exhibitionistenwerk unter die Haut. Es ist, als ob wir allmählich in ein tiefes schwarzes Loch fallen – ohne Panik und im vollen Bewußtsein der Unabänderlichkeit des Sturzes. Und die Musik von Joy Division im Ohr.