Kurz & Klein

Wenn eine Schriftstellerin, zum Beispiel Juli Zeh, Textpassagen aus einem ihrer Romane, zum Beispiel „Corpus Delicti“, auf einer CD von verschiedenen Sprechern verlesen und von ambientem Soundgewabere begleiten lässt, und wenn dazu eine Band, zum Beispiel Slllt, sieben schwülstige, pathospoppige Lieder einspielen und in einem furchtbaren Englisch mit deutschem Akzent singen darf und das Ganze dann veröffentlicht wird, nennt man das nicht „Hörspiel“, nein, auch nicht „Hörbuch“, sondern „Schallnovelle“. CORPUS DELICTI (Strange Ways/ Indigo) ist eine Schallnovelle. Nichts gegen Juli Zeh, überhaupt nichts gegen Juli Zeh. Nennen Sie mich altmodisch, wenn ich fordere: Bücher sollten gelesen werden, und nicht gehört. Wir haben gerade gelernt, dass es sich bei Agnes um eine frühere Siegerin der schwedischen Ausgabe einer dieser Superpopstarsearch-TV-Casting-Sendungen handelt. Agnes ist 21 Jahre alt und veröffentlicht gerade ihr drittes Album. Bemerkenswert an ihrer Musik ist nicht so sehr das Faktum, dass Agnes sich bemüht, Kylie Minogue zu sein, aber nicht einmal das erreicht, sondern dass diese Schwulstliedchen mit einem Humpta-humpta-90er-Jahre-Eurodance-Trashbeat unterlegt sind. Wenigstens spricht der Albumtitel bereits eine Warnung aus: DANCE LOVE POP (Warner). Damit jetzt nicht der falsche Eindruck entsteht, wir würden hier aus Gründen des TestosteronÜberschusses den Pop ganz allgemein scheiße finden und dem Rock ganz allgemein unreflektiert die Stange halten, kommen wir sofort zu AFI. Bei CRASH LOVE (Interscope/Universal), handelt es sich um das ungefähr 37. Album der Kalifornier mit theatralischem „Alternative Rock“ und außerdem um etwas, das mir persönlich die Lust an eder Form von Musik verleidet. Das ist doch scheiße, so was. Die New Yorker Brand New spielen da schon in einer anderen Liga. Ihr viertes Album DAISV (Interscope/Universal) ist so emotional, dass es kaum zum Aushalten ist. Man muss sich das so vorstellen: Brand New nehmen eine beliebige „Grunge-Ballade“, circa 1993, fügen ganz dezent postrockige Gitarrenlicks dazu und bauen eine ganze Karriere voller langweiliger Musik für Strickpullover-und-Babys-am-Bauch-vorsich-her-Träger darauf auf. Was ist schlimmer? Brand New oder AFI? Die Antwort lautet: Blind Melon. Wir erinnern uns: drittklassige „Grunge“-Band löst sich auf, nachdem ihr Sänger (Shannon Hoon) 1995 an einer Überdosis Kokain starb. Um sich 2006 mit neuem Sänger (Travis Warren) undankenswerterweise wiederzuvereinigen und im April 2008 das Reunionalbum FÜR MY FRIENDS (Earmusic/Edel) (in den USA) zu veröffentlichen. Jetzt erscheint dieser fürchterliche Amirockmist ohne Maß und Ziel und ohne einen einzigen Song und mit Textstellen wie „far awayayayay yeah yeah“ und „na na na nana nana“ auch bei uns. Ja, ja, die OlirboOtefl muss man live gesehen haben, geht immer an die Adresse derer, die sich mit der konservierten Musik der Berliner partout nicht einverstanden erklären wollen. Das dritte Album der Band heißt quasi programmatisch GVP HOP (JKP/Warner) – eine Mischung derunterschiedlichsten Musiken. Auf der Basis von Hip-Hop werden allerlei komische Sachen zu Tage gefördert: Tablas, schöne 60er-Jahre-Orgeleien, windschiefe Synthesizereien. Das soll jetzt wirklich kein Plädoyer für die Ohrbooten sein, aber hören Sie doch mal AFI, Brand New und Blind Melon am Stück.