Lou Reed – Perfect Night

Auf den ersten Blick ist PERFECT NIGHT „nur“ das fünfte Live-Album in Lou Reeds 28. Solo-Jahr. Aber Louis Firebank wäre nicht Lou Reed, würde er darunter nicht etwas völlig anderes verstehen: Das Dokument eines unvergeßlichen Abends, an dem er mit seiner Band beim Meltdown-Festival in der Londoner Royal Festival Hall auftrat-bewaffnet mit einer akustischen Gitarre, die der 56jährige durch einen speziellen Verstärker jagte, um einen einmaligen,“natürlichen Sound zu erzielen: „amplified purity“. Hinzu kommt eine erstklassige Songauswahl. Klassiker wie „III Be Your Mirror“, „Perfect Day“,“Vicious“ oder „Coney Island Baby“, andererseits „Sex With Your Parents“ ,“Dirty Boulevard“ oder „Original Wrapper“. Bemerkenswert auch drei unveröffentlichte Tracks aus der „Timerocker“-Performance (mit Robert Wilson): „Talking Book“,“IntoThe Divine“ und „Why Do You Talk“. Doch nicht allein die Mischung macht’s. In erster Linie ist es die ungewöhnliche Art des Vortrags, die beinahe Anti-Rock ist. War Reed in den 7oem ein talentierter Dilettant, so ist er heute ein Perfektionist, bei dem jeder Akkord, jedes Riff, jedes Solo auf den Punkt gespielt wird. Das paßt beim neueren Repertoire, wirkt bei den Evergreens aber eher befremdend. „Vicious“ hat er vorsorglich umarrangiert, aber „Perfect Day“ verliert auf diese Weise viel von seinem naiven Charme. Die einzige Schwachstelle eines Albums, das ansonsten fast schon zu perfekt ist – jedenfalls für Lou Reed.