Lou Reed – Rock ‚N‘ Roll Heart; The Bells
Mit zwei weiteren Originalalben von 1977 und 1978 setzt BMG die zwar nicht chronologische, dafür aber hervorragend aufbereitete Lou Reed-Retrospektive fort.,,1 believe in good times now“, behauptet ein scheinbar völlig geläuterter Lou Reed im Opener von ROCK ‚N‘ ROLL HEART, „I Believe In Love“. Vergessen der Nihilismus von The Velvet Underground, vergessen auch der boshafte Gothic-Clam-Schick von TRANSFORMER und das dunkle Junkie-Melodram BERLIN. Vorbei auch der sadomasochistische Heavy-Rock von ROCK ‚N‘ ROLL ANIMAL. der dezentdekadente Retro-Funk von SALLY CAN’T DANCE und die Laid Back-Reminiszenz CONEY ISLAND BABY. Den Einstand bei Clive Davis‘ neu gegründetem Arista-Label wollte das New Yorker Urviech wohl als eine Art Schlussstrich unter seine jüngere Vergangenheit verstanden wissen. Der Schritt war aber, wie wir heute wissen, nur halbherzig. Denn Lou nahm zur Zeit der Aufnahmen 1976 Unmengen von Speed bis er blau anlief und soff wie ein Loch. Neben rudimentär-spartanischen Arrangements aus Jazz, Swing und Boogie fängt ROCK ‚N‘ ROLL HEART 3 auch ein wenig vom damaligen Punk-Spirit ein. Vielleicht sorgte dafür aber auch eine regelmäßig bei den Aufnahmen im Record Plant Studio anwesende Verehrerin Reeds: Patti Smith, gerade aufgehender Stern am NewWave-Firmarnent. Lou selbst ironisierte die neu entstandene Szene im Lower East Side-Club CBGB’S spöttisch in drei seiner stärksten Tracks: „Temporary Thing“, „Vicious Circle“und“SenselesslyCruel“.FürTHEBELLS 4* überspringen wir das geniale, Angstschweiß erzeugende STREET HASSLE und begeben uns direkt ins Jahr 1979. Was sofort ins Ohr sticht, ist die messerscharfe, räumliche Aufnahmequalität. Zum zweiten Mal, nach STREET HASSLE, nahm Reed in den Delta Studios im norddeutschen Wüster Manfred Schunkes Binaural Sound Recording System in Anspruch. Gekoppelt mit Lous damaligem Verständnis für Disco und Jazz, ergibt das unterm Strich eine interessante Langrille.Tatsächlich schwebt-dank der Gasttrompete von Jazzlegende Don Cherry der Geist vonOrnetteColeman über Tracks wie“AIIThroughThe Night“,“City Lights“ und dem epischen Titelsong. Auch das Studio 54 ist nicht spurlos an Lou Reed vorüber gegangen: Für das hypnotische „Disco Mystic“ taucht er tief in die Reizüberlutung ewiger Adoleszens ein.
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