Marisa Monte – Memories, Chronicles And Declarations Of Love

Salvador ist hip! Selbst Noise-Pop-Gitarrist Arto Lindsay swingt in der früheren Kolonialhauptstadt Brasiliens zu den volkstümlichen Songs von Harmonia Do Samba, den aktuellen Shooting Stars der lokalen Szene. Und auch Marisa Monte verbringt den Karneval fernab ihrer Heimat Rio lieber in der Hauptstadt der Nordostens mit Carlinhos Brown & Co. Hier bastelte Lindsay, der bereits 1994 ihr Masterpiece ROSE AND CHARCOAL produzierte, gemeinsam mit der Sängerin an ihrem neuen Poesiealbum. Doch von Feststimmung keine Spur. Die 13 lyrischen Lieder auf MEMORIES, CHRONICLES AND DECLARA-TIONS OF LOVE zeugen vielmehr von postkarnevalesker Desillusion. Die große Traurigkeit nach dem Fest, übertönt von der lärmenden Axe-Music – nun bricht sie umso heftiger hervor. Das hat durchaus Bezug zu Virginia Rodrigues‘ bemerkenswertem Album NÖS, auf dem die schwarze Diva die ausgelassenen Karnevalhits ihrer Heimatstadt in traurig-schönen Klageliedern zu Grabe trägt. Dagegen ist MEMORIES… ganz klar ein persönliches Statement. Der Titel fasst den intimen Charakter in Worte: Erinnerungen, Chroniken und Liebeserklärungen. Eine fast schon analytische Umschreibung für „Saudade“, jenes Gefühl, das mit dem schönen deutschen Wort „Sehnsucht“ eigentlich treffend erklärt wird, auch wenn manch einer von Unübersetzbarkeit faselt. Die tropische Tristesse dieser Latin-Chansons ist auch für uns Nordlichter nachvollziehbar, wenngleich „Geh nicht fort“, „Verzeih mir“, „Ich bin dein“ und ähnliche Gefühlsbeteuerungen auf Portugiesisch, und noch dazu in der ausnehmend schönen Stimme der Monte, viel besser klingen.