Martin L. Gore – Counterfeit 2 :: Soft Mode

Ich sehe Martin Mutters Napfkuchen auf dem Teewagen esszimmerwärts schieben und Krümel mit angefeuchtetem Zeigefinger von der gestärkten Tischdecke tupfen. Gore im Spelunkenlicht sehe ich nicht. Ich sehe ihn anonym nach Depeche Mode-Shows am anderen Ende der Stadt abstrakte Elektronik-Weißmuster auflegen. Ich sehe in Martin L. Gore einen talentierten Songschreiber, der dem um Vergänglichkeit bettelnden Synthiepop mehr Größe und Bestand gab als 1985 jemand zu vermuten gewagt hätte. Und in Dave Gahan einen Blut-und-Wasser-Entertainer, der an seiner Seite wirklich zu zerbrechen, schwitzen, rocken vermag. Gore schwitzt nicht. Er schaut nicht in die Abgründe, der Mann mit dem Bubengesicht bleibt Schaulustiger. Deshalb funktioniert sein Coveralbum Counterfeit 2 (Teil eins erschien 1989) auch nicht. Denn die Songs von Cave (ausgerechnet „Loverman“), Dylan, Reed, Weill, Lennon und Ono, Bowie und Pop brauchen ganz bestimmt keine Behandlung mit Samthandschuhen. Hank Thompsons brüchiges „I Cast A Lonesome Shadow“ wehrt sich gegen elektrifizierte Weichmacherei, und wenn in Nicos „Das Lied vom einsamen Mädchen“ Gores jungenhafter Gesang ausnahmsweise passt und gefällt, gluckern die Maschinen zu seelenlos dahin. Nur dort, wo die Originale selbst vom Wohligen bis zum Körperlosen neigen, findet die Sanftmut etwas Belohnung – bei den Songs von Julee Cruise (of David Lynch-Fame), Eno und Velvet Underground. www.martinqore.com