Matrix :: Virtuell
Was ist die Matrix? Willkommen im ersten filmgewordenen Videogame, das nicht einem real existierenden Spiel nachempfunden wurde, sondern mit der inneren Logik und im Geiste eines Videogames entstand. MATRIX wird bombastisch mit Action, Effekten und Filmzitaten zu einem apokalyptischen Walkürenritt aufgepeppt, als hätte man dem alten Richard Wagner das Notenpapier abgenommen und ihm einen Joystick in die Hand gedrückt. Immer neue Levels gilt es für den zögerlichen Helden, den Computerhacker Neo (super-stylish: Keanu Reeves), auf dem Weg zur Perfektion und inneren Ruhe zu durchlaufen, die von den findigen Wachowski-Brüdem (BOUND) umgesetzt wurden, als gelte es den kompletten Film- und Popkosmos auf 120 Minuten zu komprimieren. MATRIX ist das unterhaltsamste und überraschendste Popcornmovie seit DAS FÜNFTE ELEMENT und zugleich die beängstigende Reduktion klassischer Filmmittel auf ihr Rudimentärstes: Für Vermittlung von Motivation und Figurenentwicklung bleibt in diesem Hexenkessel der Reizüberflutung keine Zeit. Egal, man darf froh sein, wenn man zum Luftholen kommt: Die androgyne Amazone Trinity (Latex-Lady Carrie Anne-Moss läßt Sigourney Weavers Ripley aussehen wie Miss Marple) gibt Neo die Chance, eine Antwort auf die ihn lange quälende Frage zu erhalten, was es mit der geheimnisumwobenen Matrix auf sich habe. Von dem enigmatischen Untergrundführer Morpheus (Laurence Fishburne) erfährt er, daß die Menschheit schon vor Jahren von Maschinen versklavt wurde und die Welt, wie wir sie kennen, nur die einlullende Projektion einer virtuellen Realität ist. Während der kleine Trupp von Rebellen um Morpheus den Nachstellungen furchterregender Men in Black entgehen muß, soll ein Auserwählter – Neo – die Macht der Maschinen brechen. So weit alles klar? Gut, denn das ist gerade mal der Anfang dieses Trips, der die totale Identifizierung mit Neo erzwingt, mit dessen Augen man alle folgenden Ereignisse erlebt: von der Neugeburt über die Ausbildung (sensationell: die Kung Fu-Sequenz mit Fishburne) bis zu einem Showdown, dessen John Woo-inspirierter Kugelhagel und atemberaubender Einsatz von Spezialeffekten Zeit und Raum völlig auf den Kopf stellen. Reeves‘ funktionale, nicht allzu tiefe Darstellung bietet dabei die ideale Projektionsfläche für eigene Emotionen und Empfindungen. Alldieweil lassen die ebenso wild wie souverän zitierenden Wachowskis die Analogie zum Videogame nicht aus den Augen: Auch am Playstation-Bildschirm ist man Gott über ein Universum, in dem nur Übung, Erkenntnis und innere Ruhe den Aufstieg zur nächsten Ebene und finalen Triumph ermöglichen. Ähnlich sollte man MATRIX betrachten, einen Film, der sich wie eine Zwiebel durch zahllose Schichten schält, um schließlich genau wieder da anzukommen, wo er begann.
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