Muss die Show weitergehen?

Etwas war anders, als wir uns an diesem Freitagabend beim Roskilde-Festival der Orange Stage näherten, um The Cure zu sehen. Statt der üblichen Soundcheck-Geräusche hielt da gerade jemand eine Ansprache. Festival-Organisator Leif Skov war das, und es hörte sich ernst an. Dann der letzte Satz: „Wir mögen jetzt den Abend friedlich ausklingen lassen und der Toten gedenken“. Der Toten? Was war passiert? Umstehende wussten es: Fünf Menschen (die Zahl sollte später auf neun korrigiert werden), junge Männer zwischen 17 und 26, Dänen, Schweden, Holländer und ein Deutscher, waren beim Konzert von Pearl Jam im Gedränge vor der Bühne erdrückt worden. Das Roskilde Festival, als das friedlichste und sicherste in Europa gerühmt, hatte seine Unschuld verloren. Viel wurde in der Folge geschrieben über die Entscheidung der Veranstalter, das Festival fortzuführen. Hätte das Fest abgebrochen werden müssen? Hätten Leute mit einem Funken Pietät im Herzen heimfahren müssen? Wir blieben auch da. Spürten die veränderte, gedämpftere, würdige Atmosphäre. Sahen einige schöne Konzerte, auf denen manchmal den Toten ein Song gewidmet wurden. Standen bei der Orange Stage, wo Freunde der Opfer und sicher viele, die sie gar nicht kannten, Blumen, Bilder und persönliche Dinge abgelegt hatten. Sahen den Punk, der seine alte, sicher geschichtsträchtige Lederjacke wie eine Opfergabe niederlegte. Und Leute mit verheulten Augen, denen zu Hause wohl die Decke auf den Kopf gefallen wäre. Irgendwie schien es gut, dass das Festival weiterging.