Patti Smith – Horses; Patti Smith – Radio Ethiopia; Patti Smith – Easter; Patti Smith – Wave; Patti Smith – Dream Of Life;

„And The Boy Looked At Johnny…“, heißt eine phantasiereich illustrierte Buch-Retrospektive über die Punk- und Wave-Gründerzeit. Entnommen wurde dieser an sich wenig aussagekräftige Spruch dem neunminütigen Song-Triptychon ‚Land‘ von Patti Smiths 75er-Debüt HORSES, das von John Cale noch vor Televisions ‚Marquee Moon‘ oder den Erstlingen von Blondie und den Ramones produziert wurde. Somit war das mit karger schwarz-weiß Fotografie (von ihrem engen Freund Robert Mapplethorpe) auf dem Cover versehene Werk, auf dem die Smith – nichts als Haut und Knochen -— reichlich androgyn wie der jüngere toughe Bruder von Keith Richards dreinblickt, ein intensiver Vorbote der amerikanischen New Wave. Ironischerweise hatte die ein Jahr zuvor mit der selbstfinanzierten Single ‚Piss Factory/Hey Joe‘ mit Partner Lenny Kaye debütierende New Yorker Poetin mit den Punks der ersten Stunde nur wenig gemein. Abgesehen von ihren exaltierten Bühnenmanieren, liegen die Wurzeln der Smith voll und ganz bei den Rock- und Literaten-Ikonen der wild-ekstatischen 60er Jahre. Provokantes wie „…Jesus died for somebodys sins, but not mine…“, das sie ihrer kraftvollen Interpretation von Thems ‚Gloria‘ voranstellte, liegen da schon eher am Punk-Terrain, waren aber an sich auch nichts anderes, als von ihren Idolen entlehnte Worte. Und so klingen die poetischen Songcollagen von HORSES (07822.18827.2) eher nach einem zeitgeistigen, etwas nachdenklich gewordenen weiblichen Jim Morrison, der vergangene Drogeneskapaden mit Bob Dylan, William Burroughs und den Doors bei einer gemeinsamen Opiumpfeife diskutiert, als nach wildem Drei-Akkorde-Punk. Ein Faden, den auch das ein Jahr später veröffentlichte erstmals offiziell unter „Patti Smith Group“ erschienenene RADIO ETHIOPIA (07822. 18825.2) weiterspann: Mit überlangen Tracks wie ‚Poppies‘ und dem Titelsong uferte die drogeninspirierte Melange manchmal zwar etwas aus, behielt aber mit hart rockenden Stücken (‚Ask The Angels‘, ‚Pumping My Heart‘) die Balance. Die dritte Kollektivarbeit EASTER (07822.18826.2) von 1978 featuret neben Patti und Lenny nach wie vor Ivan Kral (g), Jay Dee Daugherty (dr) , sowie den neu, für Richard Sohl hinzugekommenen Bruce Brody (key). Unter der Aufsicht von Jimmy lovine aufgenommen, war mit der Springsteen/Smith-Komposition ‚Because The Night‘ der kommerzielle Durchbruch geglückt. Extravagante Avantgarde-Collagen suchte man vergebens, dafür gelang dem Quintett mit stimmigem New-Wave-Beat (‚Rock’n’Roll Nigger‘, ’25th Floor‘) weltweiter Erfolg, der sich auch in Deutschland mit vorderen Chartnotierungen bemerkbar machte. WAVE (07822.18829.2) entstand 1979 auf Smiths Zenith und bot in etwa ein ähnliches Strickmuster wie der Vorgänger, gab sich aber zwischen Mainstream-Rock und esoterischen Spinnereien wesentlich unentschiedener. Mit Produzentengenie Todd Rundgren gelangen Patti Songhighlights ä la ‚Dancing Barefoot‘, der neuinterpretierte Byrds-Song ‚So You Wanna Be A Rock’n’Roll-Star‘, aber auch komplex strukturiertes Material wie ‚Seven Ways Of Going‘. Mit dem Because The Nighf-Rip-Off ‚Frederick‘ zeigten sich jedoch akute Ermüdungserscheinungen. Die an ihren zukünftigen Ehemann Fred „Sonic“ Smith gerichtete üebesode war tatsächlich Pattis ziemlich abruptes „Farewell“ an Karriere, Band und Business. Ihre sehr private Emigration sollte bis 1988 andauern. Das fünfte Album in 13 Jahren stellte denn auch Smith’sche Traditionen einigen Neuerungen gegenüber: Fred hatte Lenny Kaye ersetzt, gemeinsam mit Iovine nicht nur die musikalische Leitung im Aufnahmestudio übernommen, sondern zeichnete auch als Co-Autor bei allen Songs verantwortlich. Die zweifache Mutter brachte aus ihrer Vergangenheit Mapplethorpe als Coverfotografen sowie ihre Musiker Richard Sohl und Jay Dee Daugherty ein. Gern als ihr schwächstes Album abgetan, besitzt DREAM OF LIFE (07822.18828.2) sehr reizvolle Momente und ist den Vorgängern ebenbürtig. Die im 2O-Bit-Verfahren brillant überarbeiteten Re-Releases wurden ins Original-Artwork verpackt und bis auf den von der Single-B-Seite (‚Gloria‘) übernommenen Livetrack ‚My Generation‘ durch ein bis zwei Bonustracks aus den jeweiligen Studiosessions ergänzt.