Paul McCartney – Flaming Pia :: File Under: Beatles
Der Mann ist der Peter Pan der Popmusik. Paul McCartney weigert sich seit Jahrzehnten beständig, erwachsen zu werden. Zwar tut er erwachsene Dinge etwa Musikakademien gründen oder klassische Musik komponieren, jüngst wurde er gar zum Ritter des British Empire geschlagen -, und doch hat sich der mittlerweile 54jährige eine fast kindliche Unbeschwertheit und profunde Gelöstheit bewahrt. Wer wollte dem Sympathen schon je ernstlich grollen, auch wenn er, als Weichei verschrien, in seinem Post-Beatles-Werk nie mehr die Klasse seiner Beatles-Blüte erreichte, bisweilen gar in allzu seichten Gewässern fischte. Während der Arbeit am ANTHOLOGY-Projekt in den letzten vier Jahren hat er, den die glorreichen Zeiten mit den Fab Four ohnehin nie so richtig losgelassen haben, so scheint’s, seine eigene kleine Beatlemania durchlebt. Zahlreiche Reminiszenzen an die Fab Four umgeben denn auch FLÄMING PIE (McCartneys erstes Studioalbum seit OFF THE GROUND/1993). Schon der Titel des Albums geht auf einen Ausspruch von John Lennon zurück (dieser habe Anfang der 60er Journalisten die Geschichte von einem „Mann auf einem flammenden Kuchen“ aufgetischt, der ihm in einer Vision den Bandnamen „Beatles“ empfohlen hätte). Im Vorfeld der Veröffentlichung von FLÄMING PIE gab McCartney ein paar Songs bei einem Überraschungs-Kurzgig auf dem Dach eines Londoner Geschäftshauses zum Besten. Alles klar? McCartney goes back to the roots. Doch so abgedroschen sich das anhört: es verläuft wunderbar sülzefrei. FLÄMING PIE ist beinahe eine Solo-Platte – außer den vergleichsweise wenigen Parts, die von „Freunden und Familienmitgliedern“ übernommen wurden, hat der Multiinstrumentalist alles selbst eingespielt und offeriert die zwei elementaren McCartneys: den bisweilen immer noch genialen, freilich nie gegen Kitsch gefeiten Konstrukteur zarter bis pompöser Balladen und den helter-skelternden Rocker. Daß letzterer nicht unbedingt derjenige ist, dessentwegen man sich diese Platte kaufen sollte, belegen passable, aber nicht sonderlich aufregende Stampfer wie „If You Wanna“, „The World Tonight“ oder der Titelsong. Songs, deren Knackigkeit nicht zuletzt durch Co-Gitarrist und -Produzent Jeff Lynnes tendenziell pappigen Sound in Mitleidenschaft gezogen wird. Das interessanteste an dem langatmigen Stampf-Funk-)am „Really Love You“ ist wohl die nicht immer unproblematische Verbindung, die da nach langer Zeit wieder auf eine musikalische Probe gestellt wird: am Schlagzeug sitzt hier, wie auch bei „Beautiful Day“, Ringo Starr. „Used To Be Bad“ ist Texas-Blues. Nicht eben originell, aber mit dem Clou, daß McCartney sich hier im Duett mit dem lange verschollenen Steve Miller die Zoten und Soli um die Ohren haut. Doch wie gesagt: Am besten ist Sir Paul, wenn er leisere Töne anschlägt. Wenn sich zur sehr intim in den Vordergrund gesetzten Gitarre und seiner Stimme im liebevoll konstruierten Opener „The Song We Were Singing“ eine walzernde Ziehharmonika gesellt und sich verschämt die ersten Sentimentalitäten einschleichen. Wenn in „Somedays“ ein kammermusikalisches Arrangement aus Streichern und Holzbläsern (entstanden in Zusammenarbeit mit George Martin) an „Eleanor Rigby“ selig gemahnt. Wenn McCartney, allein mit seiner Akustischen, eines jener filigran schönen Liebeslieder singt, wie sie ihm immer noch gelingen („Calico Skies“). Oder wenn er uns mit „Little Willow“ zu Piano, zarten Streichern und klimperndem Cembalo das schönste Schlaflied seit „Golden Slumbers“ darbringt. Das mag einen dann schon bewegen – wenn man das Herz dazu hat. Und hoffen lassen, Peter Pan möge nie erwachsen werden.
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