Pearl Jam – Yield
Es gibt diese seltenen Momente, in denen die Rockmusik in den Zustand der Unschuld gerät. Augenblicke, in denen alle feuchten Sünden vergeben und alle moralisch bedenklichen Konsumorientierungen vergessen sind. Sekunden, in denen alle Mühseligen und Beladenen auf ihrem Trott durch die Unbilden des Lebens plötzlich innehalten, aufhorchen und fragen: Was ist das für eine Melodie? Was faßt mich da so wunderlich an? Klare Fragen, klare Antwort: Der Augenblick ist gekommen, in dem Pearl Jam beginnen, ihren Song „Wish List“ zu spielen. Mit einem Mal wird alles ruhig und gut, das Herz wird butterweich, porentief rein und sanft wie ein Lämmchen. „I wish I was a messenger“, singt Eddie Vedder uns dann beherzt an, „and all the news was good“, und wir lehnen uns zurück und sagen, ja, Botschaft erhalten, Danke. Schön ist es schließlich grundsätzlich immer, Botschaften aus der Pearl Jam-Welt zu erhalten, insofern schon alleine YIELD Anlaß zu ausufernder Freude ist. Schließlich gehört die Band aus Seattle, der einstmals geheimen Hauptstadt des Rock und Roll-Landes, zu den letzten ihrer Gattung, gehörte mit zu den Bands, die sich zu Beginn der 90er aufmachten, den Rock zu entkitschen, mit wummernden Verstärkern echte Gefühle aus jedermann herauszukitzeln – man pflegte es Grunge zu nennen – und konsequent den selbstgewählten Weg der Orientierungslosigkeit zu gehen. Heute, am Ende der 90er, stehen Pearl Jam ziemlich alleine da und gleichen diesen alten, unbeirrbaren und einzelgängerischen Elefantenbullen. Sie flößen Ehrfurcht ein, ihre Songs tun das gleiche und ihr neues Album erst recht. Pearl Jam hatten immer schon die Gottesgabe ohne Umschweife direkt ins Epizentrum der brodelnden Gefühlsreaktionen vorzudringen. Das war schon auf TEN so, dem Erstling von 1991, und das ist jetzt, auf YIELD, immer noch so. Die Folge ist eine fast körperlich zu spürende Nähe der Songs, die dir im Nacken sitzen wie der Erlkönig höchstpersönlich und sich sofort bis ins Herz vorarbeiten. Man will es kaum glauben, aber die netten, nicht mehr ganz so jungen Herren um Eddie Vedder beherrschen die Kunst durch Tone hormonelle Veränderungen hervorzurufen – ganz einfach deshalb, weil sie es vermeiden, allzu eindeutig zu werden. Insofern ist Pearl Jam-Hören wie Verliebtsein. Mal tut es gut, mal tut es weh, aber es macht zuletzt immer glücklich, weil man was zu spüren kriegt. YIELD ist so pur und ungekünstelt wie schon lange nichts mehr, wirkt fast wie ein Stück Altersweisheit und ist unglaublich relaxt.
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