Peter Tosh – Mystic Man

Wer gedacht hat, daß Peter Tosh nach der Kooperation mit Jagger/Richards auf „Bush Doctor“ nun flugs in seichteren Reggae und damit größere Kommerzialität einschwenken würde, sieht und hört sich auf „Mystic Man“ angenehm getäuscht. Eher das Gegenteil ist der Fall: „Mystic Man“ enthält keinen Song, der auf Anhieb so poppig-eingängig klänge wie beispielsweise „Don’t Look Back“ oder „Pick Myself Up“ von der letzten oder etwa „Legalize It“ von der ersten Tosh-LP.

Und doch tönt „Mystic Man“ mit besonderer Hypnotik, die nicht allein auf dem Reggae-Rhythmus basiert:

Tosh als alleiniger Songlieferant versteht sich auf Melodien, die prägnante, vordergründige Passagen mit Intermezzi von schleichender Eingängigkeit paaren: anfangs scheinbar belanglos Zwischenteile, die sich erst nach mehrfachem Hören als durchaus tragend erweisen. Die Filigranarbeit in den Songs wird von Tosh, der wieder Rhythmusgitarre und Keyboards spielt, an seine exzellente Band delegiert: Sly Dunbar (dr), Robbie Shakespeare (bg, g), Mikey Chung (1-g) und Keith Sterling oder Robbie Lyn (keyb). Die gleiche Hypnotik, man könnte auch ‚instrumentales Understatement‘ dazu sagen, geht von der Bläsersektion aus, von den Congas und dem in zwei Songs auftauchenden Synthie. Sie sind präsent, doch lediglich als Unterstützung, nie als bollernde Kracher im Vordergrund – ein riesiges Kompliment an den Arrangeur Peter Tosh.

Drei Songs scheinen mir besonders erwähnenswert: Zunächst „Recruiting Soldiers“ mit seinem herrlichen Tenorsaxophon, dann „Buk-In-Hamm Palace“, wo keiner weiß, warum es sooo geschrieben wird, wozu man aber irre gut tanzen kann – ein für Diskotheken hochgradig geeigneter Titel, der kein Disco-Song ist. Schließlich der Titelsong „Mystic Man“, worin der liebenswerte Peter erneut seinen „Marihuana für alle“-Feldzug aufgreift: Er warnt vor dem Genuß der Frittenbuden-Erzeugnisse Marke Frankfurter, Fried Chicken, Hamburger und Limo in allen ihren Farben, verschmäht auch Champagner, dazu Heroin, Kokain und Morphium, um bündig festzustellen „I’m on dope“. Nimmt man Champagner als Synonym für Alkohol weg, könnte man dem Peter fröhlich zustimmen. Und seiner Platte insgesamt sowieso…