Phantom/Ghost

Thrown Out Of Drama School

Tocotronic-Nebenprojekt 2: Dirk von Lowtzow und Thies Mynther mit einer artigen Verbeugung vor dem europäischen Kunstlied der Romantik des 19. Jahrhunderts.

Das Dilemma jeglicher Diskurse überkünstlerische/musikalischeAußerungen und somit auch das Dilemma der Musikkritik: Mit haargenau denselben Argumenten kann eine Sache hochgejubelt und verteufelt werden. Die Darlegungen „klingt sehr 80er“, „klingt wie Velvet Underground“ und „erinnert mich an meine Jugend“ können sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern zur Beweisführung eingereicht werden – was den ganzen Prozess nicht unbedingt einfacher macht. Ein beliebter, unlauterer Nachweis für die Qualität von Musik ist die „Authentizität“ des Musikschaffenden. Als ob beweisbar wäre, dass ein Multimillionär aus New Jersey im Holzfällerhemd authentischer wäre als ein hässhcher Junge aus Ohio, der auf der Bühne zur bösen, überzeichneten Comicfigur wird. Was, wenn Brian Warners Mutation zur Kunstfigur Marilyn Manson aus einem tiefen inneren Zwang herrührte? Wäre das dann nicht die reinste aller Manifestationen der Authentizität? Was, wenn ein tiefer innerer Zwang Dirk von Lowtzow (Tocotronic) und Thies Mynther (Superpunk, Stella) zu der hochgradig artifiziellen Musik von Phantom Ghost bewegen würde? Genau das ist es nämlich, dem sich die beiden widmen. THROWN OUT OF DRAMA SCHOOL, dieses Singspiel in neun Akten, ist fast ein echtes Duo-Album. Wir hören die Stimme von Lowtzows und Mynthers (präpariertes) Klavier – bei einigen Stücken noch den Gesang der Berliner Künstlerin Michaela Meise. Das vierte Album von Phantom Ghost bedeutet eine weitere musikalische Reduktion im Vergleich zum Vorgänger THREE, auf dem noch Spurenelemente analoger Effekte ein ambientes Dekor bildeten, man die geisterhafte Atmosphäre von Lowtzows zeitweiser Liebe zur Incredible String Band zuschreiben konnte. Hier haben wir es mit einer artigen Verbeugung vor dem europäischen Kunstlied der Romantik des 19. Jahrhunderts zu tun. Phantom Ghost legen in Wort und Musik Spuren aus, die wieder einmal mehr verwirren als der Wahrheitsfindung dienen: Brion Gysin, Charlie Parker, The Beach Boys, The Fall und Right Said Fred, deren „You’re My Mate“ das Album beendet.

VÖ: 27.4.

www.myspace.com/phantomandghost

Story S.16