Prinzhorn Dance School

Clay Class

DFA/Coop/Universal VÖ: 27.1.

Minimalisten-Rock: das zweite Album des realpolitisch korrekten Duos aus Brighton.

Immer wenn man denkt, der Pop hätte bereits alle seine erstaunlichen, geheimnisvollen und legendären Geschichten erzählt, taucht eine neue Band auf, die musikalisch und konzeptuell den Stoff für neue Legenden liefert. Zum Beispiel Prinzhorn Dance School, die 2006 ihre erste Single „You Are The Space Invader“ veröffent­lichten. Das Duo aus Brighton hat sich nach einem deutschen Psychiater und Kunsthistoriker benannt: Dr. Hans Prinzhorn. Der hatte Anfang des 20. Jahrhunderts eine Sammlung mit Kunstwerken Geisteskranker aufgebaut. Die Legende besagt, dass Tobin Prinz und Suzi Horn ihre Songs in einer ehemaligen Kirche aufnahmen, sie dann an fünf ihrer Lieblingslabels schickten und schließlich von James Murphys DFA-Label unter Vertrag genommen wurden – als scheinbar unpassender, weil un­elektronischer Act. In ihren Plattenvertrag ließen Prinzhorn Dance School eine Klausel aufnehmen, nach der alle Platten- und CD-Cover aus Recyclingpapier hergestellt sein müssen.

Prinzhorn Dance School, das Debütalbum aus dem Jahr 2007, war in zweierlei Hinsicht dazu angetan, am Ende des Jahrzehnts ganz oben in den einschlägigen 100er-Bestenlisten zu stehen. Es erschien in einer Zeit, in der Mann-Frau-Duos im „Indie“-Rock ganz groß waren. The White Stripes, The Kills, The Ting Tings, Blood Red Shoes … Aber der Minimalisten-Rock von Tobin Prinz und Suzi Horn ging über das Bestehende hinaus, weil er darlegte, dass Rockmusik (im weitesten Sinne) immer wieder großartig sein kann, wenn sie sich nur ihrer Stärke besinnt, der Überraschung durch Subversion. Dazu hatten Prinz und Horn sozialpolitische und ökonomische Themen auf ihrer Agenda, die die Allgemeinheit damals als Spinnereien einer ewig nörgelnden „Linken“ wahrgenommen haben dürfte, wenn sie Prinzhorn Dance School denn überhaupt wahrgenommen hätte. Vier Jahre später – in der Krisensaison 2011/2012 – aber wurden die Topoi von der Realität ins rechte realpolitische Licht gerückt. Und was Prinzhorn Dance School 2007 zum Thema Pop (in „Lawyers Water Jug“) zu sagen hatten, ist nach wie vor von Allgemeingültigkeit: „ All the bands are just … disposable. All the songs are just … three weeks. All the kids are just … money, money“.

Clay Class, das zweite Album von Prinzhorn Dance School, ist kein großer Schritt in eine neue Richtung, der ist allerdings auch gar nicht nötig, weil das Duo ohnehin allen, die den beiden eventuell nachfolgen könnten, meilenweit vorauseilt. Es bleibt beim skelettierten Post-Punk/Indie-Rock mit dem dominanten Bass, dem sparsamen Gitarrenspiel, dem Minimalschlagzeug und dem fordernden (Call-and-response)-Gesang von Prinz und Horn. Die Songs entwickeln manchmal eine scharfe No-Wave-Funkyness. Wer möchte, kann daraus musikalische Strukturen der frühen The Fall isolieren oder von Gang Of Four der Entertainment!-Phase. Key Tracks: „Seed Crop Harvest“, „Your Fire Has Gone Out“, „Turn Up The Lights“