Protomartyr

Relatives In Descent

Domino/GoodToGo (VÖ: 22.09)

Der Protomärtyrer Stephanus wurde vor den Stadttoren Jerusalems gesteinigt. Die Proto­martyr des Postpunk wirken auch ganz schön gequält.

Songs von Protomartyr mäandern wie Essay-Texte der amerikanischen Schule zwischen subjektiven Ansichten, Fragmenten von Narrationen und halb erinnerten Fakten und Fiktionen: Elvis Presley, aus seinem Wohnmobil schauend, erkannte das Gesicht Stalins in den Wolken, das sich zügig in das Antlitz Jesu verwandelte, wird im Opener „A Private Understanding“ berichtet „That’s how I bar my door in this age of blasting trumpets“, exclaimt Sänger Joe Casey: „Infinite wrath, in the lowest deep a lower depth“. Protomartyr aus Detroit fühlen sich heute an, wie sich The Thermals vor zehn Jahren anfühlten, als The Body, the Blood, the Machine in 90er-Schrammel-Indie mit dem Christofaschismus der Bush-Ära abrechnete: Eine Band, die komplett das Jetzt erfasst, während das Klangbild fast verbindungslos zum Sound der Gegenwart steht.

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Auch auf ihrem vierten Album Relatives in Descent sind Protomartyr der Link zwischen Protopunk und Postpunk, aber gerade nie Punk. Die industriell harten Rhythmen der Detroiter Szene der mittleren Siebziger liegen neben den Kreissägengitarren der britischen Achtziger, hochenergetisch, hochdramatisch, beinahe hymnisch, durch den Gesang zwischen Flehen und Bellen immer eng am Hörer. Es ist ungemütlich auf diesem Album, das ist gut.
Klingt wie: Pere Ubu: The Modern Dance (1978) / Gang Of Four: Entertainment (1979) / Raincoats: Odyshape (1981)