Radiohead :: Berlin, Großer Sendesaal des SFB

Bevor sie im Herbst das am ungeduldigsten erwartete Album des Jahres auf den Markt bringen werden, testeten die Oxforder die neuen Songs bei einer exklusiven Mini-Tour.

WENN ROCKER GEDIEGEN WERDEN, dann spielen sie in bestuhlten Hallen oder an besonders edlen Orten. Radiohead spielten im Sendesaal des Senders Freies Berlin, wo das Publikum zu perfekt equilibrierter Akustik in weichen Sesseln versinkt. Vielleicht musste das ja so sein, weil die Briten doch ihr neues Album vorstellen wollten. Das kommt zwar erst im Spätherbst. Doch der Schatten von „OK Computer“ fällt so zappendüster über jedwedes aktuelle Material, dass Testvorführungen vor kritischem Publikum angezeigt sind. „Optimistic“ hieß denn sehr sinnig auch der Song, mit dem Radiohead das Konzert eröffneten und die künftige Marschrichtung markierten: Weg von kompakten Heulern wie“NoSurprises“, weg auch von sorgsam gestaffelten Epen wie „Paranoid Android“-hin zu einem luftigeren Sound, der über weite Strecken auf repetetiven Rhythmen und geloopten Bassläufen beruht. Bassist Colin Creenwood und Schlagzeuger Phil Selway machten das unter sich aus, standen die meiste Zeit in konzentrierter Versenkung im Hintergund beieinander. Schauwerte boten, wie gewohnt, Thom Yorke mit seiner eigenwilligen Gesangsmotorik und Jonny Greenwood, der in seiner Ecke wie ein rastloser Heimwerker zwischen E-Gitarre und angestaubten Elektronik-Gerätschaften hin und her wechselte. Das Publikum quittierte das neue Material denn zunächst mit reservierter Ehrfurcht, musste erst mit „Exit Music“ oder „Climbing The Walls“ in Stimmung gebracht werden. So war es wie eine edle Jam-Session, die eigentlichen Songs oft nur skizzierend, anstatt sie präzise auszuagieren. Mäandernde Melodien und Riffs, die sich der Auflösung verweigern, kurz: Komplexer Stoff, nicht eben hitparadentauglich. Songs wie „The Morning Bell“, „Knives Out“ oder das wuchtige „National Anthem“ erinnerten am ehesten an frühere Tage, ansonsten scheint Aggression meditativer Klangsuche gewichen zu sein. „In ümbo“etwa basiert auf Morsezeichen und anheimelnder Country-Gitarre, bis Yorke zum Tambourin den Refrain intoniert: „l’m on your side“. Yorkes Stimme hat nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Zu den merkwürdigen Grooves der neuen Stücke fügt sie sich wie ein präzises Lead-Instrument. Mit formlos vertrackten Rhythmen und östlichem Flair spielte die Band in“Egyptian Song“, „You And Whose Army“ klang ein bisschen zu sehr nach „Karma Police“-was soll’s. Sie kamen, wurden gesehen und spielten das neue Album. Ob das halten wird, was das Konzert versprach, wissen wir am 31. Oktober. ->

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