Richard Davies – Telegraph
Männer, die mit ihrer Gitarre zu Bett gehen, hinterlassen gern überall feuchte Eindrücke. Männern, die mit ihrer Gitarre zu Bett gehen, sagt man überall ein liebewehendes Dankeschön nach, weil sie so brav gewesen und nicht zu weit gegangen sind. Und Männer, die mit ihrer Gitarre zu Bett gehen, kennen nur diese eine Härte: die Härte der Hornhaut an ihren Fingerkuppen nämlich, die-wahrscheinlich -vom ausdauernden Gitarrespielen kommt. Wir verdanken diesen Männern viel, und beileibe nicht nur die Anerkennung der Tatsache, daß dieses jahrhundertelang mißachtete Geschlecht theoretisch mindestens genauso sentimental sein kann wie Celine Dion. Sondern auch, daß es darin noch viel besser ist. Und zehnmal ehrlicher. Seit im Jahre 1972 der unnachahmliche Neil Young mit seinem HARVEST-Album die Weltmeisterschaft im Herzzerreißen gewonnen hat und zwei Jahrzehnte danach mit HARVEST MOON gleich nochmal,fühlen sich viele dazu aufgerufen, seine Nachfolge anzutreten. Bester Kandidat für 1998 ist Richard Davies. Dessen Album TELEGRAPH erinnert nicht von ungefähr an den Altmeister stilistisch perfekten Spontankummers: Da sitzt, hübsch verpackt in schnuckeligen Akkordfolgen, ein akutes Minneleid zwischen A und fis – und pfundweise Sehnsucht. Herr Davies nimmt sich alle Zeit der Welt, derlei Songs sich entwickeln zu lassen, so wie schließlich auch das Gefühl Zeit braucht, um sich auszubreiten, fiese Wirklichkeit zu werden und das arme Herz schließlich und endlich boshaft und allumfassend zu erdrücken und zu erdrosseln. So ist das: Richard Davies, der Australier, erforscht forsch all diejenigen Nervenbahnen, durch die Glück und Unglück sich bewegen, und sein daraus resultierendes Gutachten setzt er munter klampfend in schokoladig schmelzende Tonfolgen um, dann und wann freundlich unterstützt vom Sound einer ergreifend analog klingenden, schön und fast schon museal wirkenden Tasten-Orgel.
Mehr News und Stories