Richard Hell – Time

Die Zeit war auf seiner Seite. Der literarische Ruhm ist noch frisch, da rückt Richard Hell, einer der Punk-Erfinder aus New York, wieder ins Rampenlicht der internationalen Rock’n‘ Roll-Berichterstattung. Patenschaften für junge Lederjacken-Rocker könnte der 1949 in Kentucky geborene Sänger und Bassist jetzt im Dutzend übernehmen. Ein Stück Geschichtsschreibung tut da gut. Das amerikanische Matador-Label hat Hell im richtigen Moment ein Doppel-Album voller Raritäten gewidmet. CD eins enthält u.a. Material, das bisher nur auf Cassette erschienen war: eine alternative Hell-Story von den Heartbreakers [mit Johnny Thunders und Jerry Nolan 1975) über Voidoids-Outtakes in der Originalbesetzung mit Robert Quine, Ivan Julian (beide Gitarre) und Marc Bell (Drums) bis hin zu Stücken, die Hell 1984 in New Orleans aufnahm. CD zwei enthält 16 unveröffentlichte Live-Mitschnitte von ’77 und ’78- „Love Comes In Spurts“, das erste Stück vom epochalen Debüt BLANK GENERATION, gibt in der Live-Version eine Ahnung davon, was Hell an einem guten Abend den Leuten sagen konnte: Das Leben ist nichts wert, also liebt es. Der Refrain wird von den Gitarren zersägt, die Aufnahmequalität ist hundsmiserabel, aber was soll’s! Die Show muss großartig gewesen sein. Vielleicht hatte Hell wieder dieses zerfetzte T-Shirt an oder eins, auf dem „Bitte killt mich!“ stand. Der Rock’n’Roll der Voidoids war Bloßstellung pur, hinter dem Lärmen, dem Hecheln, hinter den Gitarrensalven standen ganz verletzliche Typen. Die vier CBGBs-Tracks am Schluss demonstrieren etwas ganz anderes: Punk hatte doch ein bisschen mehr mit Rhythm & Blues zu tun, als man damals einräumen wollte. Was Gastsänger Elvis Costello auf seine Art beweist.

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