Richard T. Bear :: Hamburg, Markthalle

Kein Info der Plattenfirma ohne den nostalgischen Verweis auf Richard Gersteins legendäre Club-Gigs in Hamburgs „Karnickel-Halle“. Aber das war 1979; das Pö hat dichtgemacht, und Richard T. Bears Griff nach den Sternen führte nicht zur damals erwarteten Blitzkarriere.

Sein neues Album THE RUNNER, das fünfte mittlerweile: Ausverkauf im Gemischtwarenladen. Bester Vorab-Grund, ihn live anzuschaun: Er kam mit einer hochkarätigen Band. Die erste Stunde bestätigte die trübsten Befürchtungen. Die „Werewolves Of London“ sollte Richard Warren Zevon überlassen, das „City Life“ ist bei Mr. Mellencamp besser aufgehoben — und selbst eine hausgemachte Ballade über Richards Hometown „New York City“ schwankte zwischen Neil Diamond und Phil Goodhand-Tait. Tiefpunkt der perfekten Wiederaufbereitungsaktion: Randy Newmans „Sail Away“.

Dann wurde es neun, die Halle füllte sich, und ein von Ex-Little Feat-Drummer Richie Haywood aufs Feinste vorangetriebener Groove, Marke New Orleans, machte sich angenehm breit. Richard bewies am CP80 -„Flügel“, daß er seinen Dr. John erfolgreich studiert hat. Mit dem „Manhattan Reggae“ ging dieses Konzert erst richtig los.

Bei „She’s Not There“ erlaubte sich der Bär gesangliche Abweichungen vom Original. Und als dann Richards einzig weithin bekannter Evergreen „Sunshine Hotel“ losmarschierte, war das Publikum endgültig aus der Reserve gelockt. Da konnte der Gitarrist zwei Minuten lang einen einzigen Akkord schrubben -— die Stimmung stieg und stieg.

Der Siedepunkt war erreicht, als Ian Cussick (noch so ein Pechvogel, der immer mit der richtigen Stimme an die falschen Songs gerät) den Überraschungsgast spielte. Gemeinsam sang man für Ronald Reagan: „This Is Not A Movie“. Der Herr dürfte die gewichtige Balladen-Attacke unbeschadet überstanden haben — trotz jaulender Gitarre und bombastischen Keyboards (Richard plus der Kollege im Hintergrund wühlten tapfer in ihren Tasten. „… to stop this madness“).

Wer nach dem Abgang auf die üblichen zwei Zugaben eingestellt war, erlebte sein nachtblaues Wunder: Eine volle dritte Stunde lang war der Bär los! Sessionstimmung — geplant und dann auch wieder „echt ganz spontan“ (zur Verwirrung des Mannes an den Lichtreglern). Ein ganzer Karton voller Frisbees wurde an die Hanseaten verschleudert.

Sah es gegen Anfang noch nach einem deplacierten Gag aus. wenn Richard ins Publikum sprang, um per Selbstauslöser ein Bild der Eintracht zu knipsen, so herrschte jetzt wirklich Party-Stimmung. Also kippte der Bär sich das restliche Bier über den Pelz, sprang ans Piano und fegte los, als wäre ein Gospel-Geschwindigkeitsrekord fällig, lan Cussick löste den von Pat Benatars Band geliehenen Bassisten ab, sang mit Richard im Duett, und ab ging die Post gen Rock und Blues.

Absoluter Höhepunkt war die abschließende, gut halbstündige Version der Little Feat-Perle „Dixie Chicken“. Ein Musiker nach dem anderen warf schließlich das Handtuch, bis auch der Bär genug hatte.

Ein Mann für Club-Gigs, keine Frage. Ohne modische Mätzchen -— irgendwo zwischen Bob Seger und (zum Glück eben auch) Dr. John.