Silbermond

Laut gedacht – live

Zwischen Gebrauchtgefühl-Regal und Bundesrockwettbewerb-Rock: Silbermond und ihre neue DVD.

Man kann nicht behaupten, dass Wir sind Helden schuld an der ganzen Sache sind. Aber die Berliner Band, so etwas wie der klanggewordene Spezialdemokratie-Leistungskurs, hat, in Tateinheit mit der weitgehend ideenlosen Musikindustrie, auf alle Fälle den Weg bereitet für Bands wie Juli und Silbermond. Hier wie da und dort gilt das Prinzip: eine singende Frau mit hohem Befindlichkeitsfaktor vorne, rechts und links flankiert von mehr oder weniger rockenden Jungs. Das darf man ohne Weiteres mäßig originell finden – und erst recht als entbehrlich erachten, wenn man die neue Doppel-DVD von Silbermond gesehen hat. Laut gedacht – live heißt sie, geboten wird ein Konzert aus Oberhausen, dazu gibt’s auf DVD Nummer zwei das handelsübliche „Hinter den Kulissen“-Material. Noch unspektakulärer wird die Angelegenheit allerdings, wenn man den Mut aufbringt, mal wirklich genauer hinzusehen. Es sind vom Munde abgesparte Lebensweisheiten und Emotionen aus dem Gebrauchtgefühl-Regal, die Sängerin Stefanie Kloß, 22, in Liedern wie „Das Ende vom Kreis“ und „Zeit für Optimisten“ von sich gibt; jede Küchenkalenderrückseite würde vor Scham erröten, wenn man sie damit bedruckte. Doch nicht nur Stefanie Kloß steht für die personifizierte Harmlosigkeit und den Soundtrack zur ewigen Abi-Abschlussfahrt, auch ihre männlichen Begleiter sind keinen Deut besser. In ihren besseren Momenten changiert die Musik zwischen schlagerhaftem Pop, in den schlechten (und die überwiegen) reicht es dann mit stilisiert bratzigen Gitarren doch leider nur zum sehr vorhersehbaren Rock der Marke Bundesrockwettbewerb. Musikalisch und textlich sind Silbermond arg limitiert, in all ihrer Harmlosigkeit tun sie nichts und niemandem weh – und werden wohl gerade deshalb für. Achtung, problematisches Wort: authentisch gehalten. Wunderbare Bands wie Tocotronic trainieren seit mehr als zehn Jahren ausdauernd und hart dafür, eben das nicht zu sein – aber davon wissen Silbermond nichts. Andererseits: Silbermond sind immer noch ein kleines bisschen besser als Juli und Mia. Was aber jetzt keinesfalls als Empfehlung missverstanden werden soll. Wenn man drei Hundehäufchen auf dem Bürgersteig rechtzeitig erblickt, latscht man ja auch nicht sehenden Auges in den kleinsten. Nein, man gibt sich alle erdenkliche Mühe, alle drei unfallfrei zu umkurven. Insofern: Take a walk on the wild side – und die ist überall da, wo Silbermond und Konsorten nicht sind.

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