Spannung. Leistung. Widerstand. – hrsg. von A. Pehlemann & R. Galenza
Jetzt haben wir es schriftlich: Die DDR war eine einzige Band. Jeder hat mit und an jedem rumgespielt. Insgesamt waren es so um die 100 Leute, die Chefs von’s Janze hießen Bert Papenfuß-Gorek und Sascha Anderson. Lyriker, beide! DDR ohne Lyrik? Undenkbar. Da nicht alle gleichzeitig auf eine Bühne passten, wurde der Klangkörper über den ganzen Prenzlauer Berg sowie einige Großstädte aufgeteilt und mit unterschiedlichen Namen versehen: Knut Balz Formation. Ornament & Verbrechen, Der Demokratische Konsum, Kriminelle Tanzkapelle, Frigitte Hodenhorst Mundschenk, AG Geige. Herbst in Peking, teurer denn je. Erweitere Orgasmus Gruppe. Freunde der Italienischen Oper. Ihr Arschlöcher, Magdalene Keibel Combo, Klick & Aus. Manche“.Projekte“ waren so geheim, dass selbst die Mitglieder nichts von ihrer Existenz wussten. Kunstkrach, Freejazzpunk. Electronics. Schreiorgien mit Kartoffelsalat, alles, wovon im gewöhnlichen Bürgerhaushalt die Milch sauer wird, war möglich nach der Jeder-kann-ein-Künstler-sein-Doktrin. Mitgeschnitten haben sie es auch noch. Auf für DDR-Verhältnisse unanständig teuren Kassetten (Einkaufspreis um 20 Mark]. Jetzt fragen wir uns: Hoppla, wie denn nun? Überall ist von der DDR als langweiligstem Land der Welt die Rede, aber was die Protagonisten alles erlebt haben wollen, ist ja wohl das Aufregendste überhaupt und so. Wie die Großväter von Stalingrad, schwärmen die flippigen Enkel über die Kapriolen der Tape Szene: Mann, watt waan wa für Granaten! Das allein wäre unbedenklich: Poparchäologie ist eben 50. Aber da haben wir die Rechnung ohne die Herausgeber gemacht. Ihr subversives Vorwort liest sich, als hätten sie kurz zuvor ein Seminar in Managerdeutsch absolviert: aufzeigen, positionieren, Motivation, spannend, andenken, Flow, niveauvoll, Vordenker, am Start haben, Grenzüberschreitungen. Kultst3tus. von den staatlich subventionierten Kalauern IKulturstiftung des Bundes!) ganz zu schweigen. Die beiden tadellosen CDs mit einem „liebevoll gestalteten Booklet“ hätten gereicht. Und die wiederum gehören in „jede gute Plattensammlung“.
www.verbrecherverlag.de bücher
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