Album der Woche

Stella Donnelly

Beware Of The Dogs

Secretly Canadian/Cargo (VÖ: 8.3.)

Das Debüt der australischen Gitarrenpop-Singer/Songwriterin kann so einiges: Uns feministische Grundsätzlichkeiten hinter die Ohren schreiben, mit trockenen Pointen treffen und einen mit diesem unumstöß-lichen Optimismus anstecken, der uns heute fast schon befremdlich scheint.

Es gibt gleich mehrere Momente auf dem Debütalbum von Stella Donnelly, die machen einen wortlos glücklich. Es wird dann alles heller, die Musik kommt wie ein leichter Wind auf und man wird von dieser weichen, warmen Melancholie eingehüllt, die einen befällt, wenn man irgendwo draußen in der Landschaft steht und angesichts der Schönheit der Welt von dem allertröstlichsten Gedanken überhaupt befallen wird, nämlich dass diese Welt eines Tages auch ohne einen einfach weitermachen wird. Let it be. 

Weniger spirituell aufgeladen könnte man sagen: BEWARE OF THE DOGS atmet immer wieder in vollen Zügen den Geist solcher Gitarrenpop-Liedermacher wie Suzanne Vega und Lloyd Cole, denen bei aller Ernsthaftigkeit und lyrischen Qualitäten ihrer Texte solche strahlenden Melodielinien, übers Firmament laufende Harmoniebögen und manchmal sogar doppelrahmstufige Arrangements ein durchaus sentimentales Anliegen waren.

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Die so ausgestatteten Songs wurden dann strategisch schön gleichmäßig – neben den Balladen – verteilt auf Alben, die dadurch mindestens genauso Frühlings- wie Herbstplatten waren. Dieser deutliche Late-80s-/Early-90s-Gitarrenpop-Appeal unterscheidet Stella Donnelly von den meisten anderen Singer/Songwritern ihrer Generation, die sich in ihrer Herangehensweise und ihrem Sound doch weitgehend an den bekannten Folk- und Blues-Mustern sowie 60s-Pop-Vorlagen halten, auch wenn die dann mindestens einmal durch den Indie-Rock-Katalysator geschickt werden. 

Den mit einer vollständigen Kapelle aufgenommenen, auf Pracht produzierten, so dreamy wie catchy klingenden Album-Opener „Old Man“ als Vorabsingle zu veröffentlichen, war eine kluge Entscheidung – inklusive einem Musikvideo, in dem die Künstlerin mit zwei weiteren adretten jungen Menschen wie in einem rollkragigen 
Belle-And-Sebastian-Fiebertraum durch Amsterdam slackert. Denn dadurch wird sofort klar, dass sich Stella Donnelly auf das Das-Mädchen-mit-der-Gitarre-Image ihrer auf das Notwendigste reduzierten Homerecording-EP Thrush Metal (2018) nicht festnageln lässt.  

Dieser Song macht aber auch deutlich, dass auf die Australierin weiterhin zu zählen ist als Stimme eines direkten, schmerzhaft aufrichtigen, aber auch lustvoll angriffslustigen Feminismus, als die sie sich schon mit ihrer Debütsingle „Boys Will Be Boys“ in Position gebracht hatte. Darin ging es um die Anklage eines Vergewaltigers ihrer Freundin – und der Menschen, die ihn auch noch verteidigen. Auf „Old Man“ blickt sie nun einem gutsituierten Anzugträger offen ins Gesicht, der Mädchen begrabscht, damit drohend, dessen Frau und Kinder zu informieren: „You grabbed me with an open handthe world is grabbing back at you.“ Und das dazu fröhlich die Gracht entlang hopsende Video wird in seiner Botschaft sogar noch unmissverständlicher, wenn die als Untertitel eingeblendeten Lyrics plötzlich von Handlungsanweisungen aus dem „Every Woman‘s Guide to Self Defence“ ersetzt werden: „Grab his ears between your thumb and forefinger …“ 

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BEWARE OF THE DOGS ist sowohl musikalisch als auch inhaltlich immer genau dort sehr klar und deutlich, wo es notwendig wird. Stella Donnelly stehen dabei zwei hervorragende Mittel zur Verfügung: An Vorbildern wie Billy Bragg geschult, vermag sie einerseits Texte zu  schreiben, die zwar mit starken Bildern arbeiten („This street is haunted like a beast that doesn´t know its face“), sich aber nie mehr als drei  Schritte von der Tisch-, Tresen- oder Bettkante wegbewegen.

Sie will betont alltäglich und maximal nachvollziehbar sein, ihre trockenen Pointen machen die Sache dabei nur noch eindrücklicher. Und in ihrem und unseren Leben spielen sexuelle Beläs-tigung und allgemein miese Typen eben genauso eine Rolle – seid ehrlich! – wie die Enttäuschung darüber, von einem alten Freund, aus dem ein übler Zyniker geworden ist, nur noch „Seasons Greetings geschickt zu bekommen, wie es ist, sich nach dem Liebhaber zu verzehren wie ein „Mosquito“ nach dem Licht – oder eben, es nützt ja nichts: Politik (Beware Of The Dogs“). 

Auf der anderen Seite verfügt sie über diese unbekümmert jugendliche, aber auch sehr starke Stimme, die einen einfach ungefragt packt. Sie klingt in etwa – wenn der Vergleich erlaubt ist – wie die der frühen Nina Persson (The Cardigans), als die noch nichts als Glocke und Glockenblümchen für die Ohren war, allerdings mit dem Wissen und den Skills der späten, dann allerdings irgendwie bluesy gewordenen Nina Persson. 

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Wie herausragend Donnellys Talent zum gesanglichen Ausdruck ist und wie selbstbewusst und souverän sie sich darin bewegt, lässt sich gut in der Trennungsballade Allergies erkennen, wenn sie, verschnupft bei der Aufnahme, diese Zeile hier gegen Ende ohne jeden Pathos fast ins Tonlose kippen lässt: „I picked up these allergies somewhere on my own, I’m scratching off my skin again I rub down to the bone“ – um sich danach leise den, pardon!, Rotz durch die Nase zu ziehen. Das gehörte offensichtlich einfach dazu zu diesem perfekten One-Taker, zu dessen Finale sie mit nur etwas Vibrato on top und feinen Ornamenten jede fixe Castingshow-Idee davon zersingt, was laut dem Evangelium nach Mariah Carey eine großartige Stimme sein soll. 

Vor allem aber strahlt Stella Donnelly in jeder Note und auch in den finstersten Momenten ihrer Texte einen Optimismus und Lebensfreude aus, mit dem manche von uns möglicherweise erst wieder umgehen lernen müssen. 

Stella Donnellys neues Album „Beware Of The Dogs“ hier im Stream hören:

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