Steve Coleman – Genesis & The Opening Of The Way

Der Mann am Alt-Sax ist der Konig des aktuellen Jazz. Eine angesichts der Methenys &t Co. zunächst maßlose Übertreibung, die sich aber als Tatsache entpuppt, wenn man nur ein Stück aus dem mittlerweile mächtigen Klang-Kosmos des Steve Coleman herausfiltert. Der Mitinitiator des legendären New Yorker M-Base-Kollektivs, aus dem u.a. Geri Allen und Cassandra Wilson kommen, kennt in seinem Forscherdrang keine stilistischen Grenzen, wenn es um die Ahnenlinie von Rhythmus und dessen harmonischen Überbau geht. Daß Coleman sich neben die Götter Coltrane, Mingus und Shepp gestellt hat, beweist das neueste Powerpack einmal mehr. Natürlich thront auf den beiden CDs sein mitreißendes Free-Funk-Gerüst, auf dem er mit Gesinnungsgenossen groovende Purzelbäume schlägt. Doch das lineare Entertainment durchsetzt er erneut mit vertikalen Verschiebungen, Überlappungen, die den Street-Jazz aus der puren Fun-Attitüde, aber immer mit der erhobenen Kampfesfaust herausholen. Während „The Opening Of The Way“ dank seiner Hausband Five Elements zum Hochkonzentrat energetischer Modulationskünste geworden ist, nutzt Coleman auf „Genesis“ erstmals eine Big Band, um alle erdenklichen Harmonien von Afrika bis Japan und Kuba zu vereinen. Eine Expedition, zu der Coleman neben Ravi Coltrane sogar ein Streichquartett einlud, und die in ihrer kollektiven Meditation geradezu heißläuft. Weshalb sein sensationelles, musikhistorisches wie musikantisches Grundsatzprogramm zur Meßlatte für alles wird, was der Jazz 1998 zu bieten hat.