Talking Heads :: Speaking In Tongues
New Wave, Pop: Zweiter Schub der Retrospektive im Double-Disc-Format mit Bonustracks und Videoclips.
Anhand statistischer Zahlen der offiziellen Biografie läßt sich unschwer erkennen, daß die Talking Heads als Band eine überwiegend selbstbestimmte künstlerische Entwicklung verfolgten – wenn man mal davon absieht, daß Gründer, Sänger und Hauptkomponist David Byrne in rund 17 Jahren bis zur Trennung 1991 ohnehin mehr oder minderdominierte. Da fällt die kurze, gerade mal vier Jahre dauernde Spanne, in der das exzentrische Studioass Brian Eno maßgeblich einwirkte, eigentlich nicht so sehr ins Gewicht – sollte man meinen. Doch bleiben die drei in Zusammenarbeit mit dem britischen Minimalismusexperten gestrickten Alben MORE SONGS ABOUT BUILDING AND FOOD, FEAR OF MUSIC und REMAIN IN LIGHT (siehe MUSIKEXPRESS 3/06) das eigentliche Vermächtnis des Quartetts, wie der zweite Teil der Double-Disc-Werkschau (CD + DVD-5,1-Surround-Audioversion) ganz eindeutig unter Beweis stellt. Als sich der Kern der Talking Heads 1983 nach unglaublichen Experimenten, nicht immer ganz schlüssigen Ensembleerweiterungen und ausgiebigen Soloexkursionen für das Comeback in Anführungszeichen, SPEAKING IN TONGUES, 3 Sterne, wieder reaktiviert, fehlt Brian Eno, und mit ihm seine verschrobenen Klangressourcen. Und so erinnern nur noch wenige Stücke wie „Burning Down The House“, „Making Floppy Floppy“ und das Staple-Singers-Cover „Slippery People“ verschwommen an den megalomanischen Vorgänger. Zumal auch der seinerzeit übliche 80er-Jahre-Produktionsstil mit drögen Seguenzern und blechernen Linn Drums langsam Einzug hält und der Musik der Talking Heads eine eindimensionale Lähmung verleiht. Beim [zumindest in Europal neuen Vertragspartner EMI erscheint im Juni 1985 das wesentlich populistischere Album Little Creatures, 2,5 Sterne, das der Band in Großbritannien erstmals eine Top-Ten-Plazierung beschert, jedoch mit „And She Was“, „Lady Don’t Mind“, „Walk It Down“ und „Road To Nowhere“ nur vier über dem Durchschnitt liegende, allerdings recht konventionelle Songs bietet. Ebenfalls seltsam gedrosselt wirkt 1986 True Stories, 2 Sterne, – mit gerade mal einer brauchbaren Singleauskopplung („Wild, Wild Life“) weniger eine geschlossene Kollektivarbeit als der etwas dröge Soundtrack zum gleichnamigen Film, bei dem David Byrnes World-Beat-Faszination mit Percussionist Paulinho da Costa („Papa Legba“) sich in den Vordergrund drängt, er
sein Debüt als Regisseur gibt und die restlichen Talking-Heads-Mitglieder nur im Hintergrund agieren. Ein würdiger Abgang gelingt mit dem zwei Jahre später gereichten finalen Naked, 4 Sterne. Auf dem Album, das in Paris mit nordafrikanischen und südamerikanischen Gastmusikern erstaunlich zurückhaltend produziert wird, besinnt sich die Band auf ihre polyrhythmischen Glanzzeiten. „Blind“, „Mr. Jones“ und „Big Daddy“ funktionieren ausgezeichnet als Clubhymnen, während „Ruby Dear“, „The Democratic Circus‘, „Mommy Daddy You And I“. „Bill“, „Cool Water“ und der Bonus „Sax And Violins“ wie fabelhafte Outtakes aus der längst vergangenen REMAIN IN LIGHT Ära tönen, als der kreative Funke stets zündete.
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