The Human League – Dare

Das ist zu schön um wahr zu sein! DARE ist der Schritt ins übersinnliche Vakuum, grenzt beinahe schon an Vorspiegelung falscher (?) Tatsachen – die akustische Fata Morgana. Melodien von einer rauschhaften Schönheit und Unvergänglichkeit, Visionen, Assoziationen, Assoziationsketten … „everybody needs love and adventure/ everybody needs cash ro spend/ everybody needs love and allection/ everybody needs two or three friends …“ DARE ist der nie ausgeträumte Traum von Vollkommenheit und ewigem Glück, materiell wie seelisch. Und auch von Liebe – der allmächtigen Pop-Losung, oft belächelt, mystifiziert, intellektualisiert und verbannt – aber immer wieder (neu) aufgetischt. Love!

Phil Oakey, der nach der Spaltung des Mutterschiffs in Human League und Heaven 17 heute allein das Zepter schwingt, modelliert aus diesem Four-letter-Code ein surrealistisches Szenarium. Seine Stimme transportiert Romantik und Sinnlichkeit mit einer ebenso unbekümmerten wie verführerischen Suggestivkraft, als sei er dazu ausersehen, solche ausgeleierten Begriffe für unsere Wettbewerbsgesellschaft neu und attraktiv zu definieren. Und Vorsicht! Oakey ist kein esoterischer Spinner aus einer anderen Galaxie und erst recht kein apolitischer, genußsüchtiger Eskapist – sondern mindestens genauso engagiert wie hartgesottene Agitprop-Vorbeter, nur, daß er auf Fingerzeig-Allüren verzichtet.

Die Human League, Edition 81, montiert alle zeitbedingten Faktoren und Metaphern zu einer gigantischen SoapOpera, ohne sich je in die pessimistischen Abstraktionen ihrer REPRODUCTION-Tage zu versteigen. DARE ist ist Gebrauchsgegenstand, rund um die Uhr hörbar, stimulierende, aufputschende Musik von geradezu unnatürlicher Intimität. Oakey zwingt zur Erneuerung von Denkschablonen. Und wenn solche gedanklichen Hürden aus dem weg geräumt sind, erscheint DARE als ultrakommerzielles easy listening mit mindestens acht todsicheren Pop-Blockbustern. Seit „Being Boiled“ haben Human League nie besser in die Zeit gepaßt.