The Salesman :: Regie: Asghar Farhadi

Noch entschleunigter geht nicht: Asghar Farhadi bringt einen Thriller in Zeitlupe auf die Leinwand.

Suspense ist die eine Sache. Aber das, was Regisseur und Drehbuchautor Asghar Farhadi da macht, ist noch mal eine ganz andere Sache. Er zögert wirklich jede Szene, jeden Dialog und jeden Konflikt so sehr hinaus, bis man beim Zuschauen vor Anspannung fast ohnmächtig wird. Farhadi ist der King of Slow-Storytelling. „Le passé – Das Vergangene“ (2013) und „Nader und Simin – eine Trennung“ (2011) sind Beweise dafür. Mit „Nader und Simin“ gewann er sogar den Oscar für den besten fremdsprachiger Film.

Es wundert also kaum, dass auch „The Salesman“ für einen Oscar nominiert ist. Aber in diesem Jahr sollte sich Farhadi lieber nicht zu große Hoffnung auf die Trophäe machen. Das liegt zum einen an der starken Konkurrenz („Toni Erdmann“!) und zum anderen daran, dass es der iranische Filmemacher mit dem Herauszögern übertrieben hat. Zwei Stunden lang lässt uns der Suspense-Supermann vor unangenehmer Aufregung kaum daran denken, dass das alles gerade nur ein Film und nicht das reale Leben ist – nur um uns dann mit einem kaum merklichen Twist wieder aus seinem Würgegriff zu entlassen.

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Dabei fängt alles so vielversprechend an. Emad (Shahab Hosseini) und Rana (Taraneh Alidoosti) stürzen aus ihrer Wohnung, weil der ganze Komplex droht in sich zusammenzufallen. Der Schock ist noch nicht mal richtig verdaut, da stellt sich die Gewissheit ein: Sie brauchen eine neue Bleibe. Ein Bekannter von ihrer Arbeit am Theater bietet ihnen schließlich seine leerstehenden Räumlichkeiten an. Das Paar ahnt nicht, dass dort zuvor eine Prostituierte lebte, die in dem Haus auch ihre Freier empfing. Kaum sind die zwei umgezogen, wird Rana von einem dieser Kunden überrascht, gepeinigt und dann einfach blutend zurückgelassen.

Das Matrjoschka-Prinzip

Danach dreht sich alles nur noch darum, wer der Täter sein könnte und wie mit dieser Situation umgegangen werden sollte. Eigentlich ist es Asghar Farhadis Stärke eine zunächst recht einfache Geschichte Schritt für Schritt komplizierter zu gestalten. Dieses Mal ist es genau anders herum. „The Salesman“ wirkt zwar lange Zeit wahnsinnig komplex, aber enttäuscht auf den letzten Metern. Das ist so wie auf dem Laufband: Man joggt und joggt, hat am Ende keine Puste mehr und man bleibt doch auf der gleichen Stelle stehen. Kein Ziel erreicht.

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Mittlerweile kennen wir Farhadis Schema leider auch zu gut. Da gibt es ein Geheimnis und dann entwickeln sich daraus viele weitere Geheimniskrämereien, wie bei einer Matrjoschka. Das kann er wirklich gut – und es funktioniert auch in „The Salesman“ fabelhaft. Es ist also meckern auf hohem Niveau, wenn man sagt, dass dem Ganzen einfach das innovative Element fehlt. Wer einmal einen Film des Regisseurs gesehen hat, dem ist sonnenklar, wie sich diese ganze Misere noch weiter hochschaukeln wird. Und dass es dafür noch nicht mal den großen Krach geben muss. Das, was nicht gesagt wird, ist hier der eigentliche Schlag in die Magengrube. Moralische Dilemma spielen wieder genauso eine Rolle wie zwischenmenschliche Probleme. Dennoch überspannt es „The Salesman“ mit den Leerstellen – diese sind beispielsweise in „Toni Erdmann“ doch um einiges aufregender.

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