The Specials – More Specials

In letzter Minute ist eine Kassette der neuen Specials-LP (ohne Waschzettel der Plattenfirma oder auch irgendwelche Titelangaben) doch noch bei uns eingetroffen. Nachdem ich mir einen ersten Eindruck verschafft hatte, war ich einerseits verwirrt, andererseits aber auch fasziniert. Verwirrt deshalb, weil auf dieser LP Titel sind, die ich von den Specials nie erwartet hätte. Sie haben ihre Bandbreite enorm erweitert und neue Elemente in ihre Musik eingebaut. Einflüsse des Elektronik-Rocks sind zu hören, sie haben den Calypso wiederentdeckt und Dub eingesetzt. Und alles neue spielen sie so überzeugend, als ob sie seit zehn Jahren nichts anderes machen würden.

Die erste Seite klingt noch in altbekannter sehr starker Specials-Manier. Es fängt mit einem Titel an, der wahrscheinlich „Enjoy Yourself“ heißt. Eineietzende Rhythmusgitarre, wilde Bläsersätze und karnevalsähnliches Gegröhle machen diese Tanznummer zu einem gelungenen Einstieg in die LP. Weniger erfreulich ist das Thema des zweiten Songs, denn hier geht es um den Atomkrieg. Musikalisch bilden die erdrückend wirkenden Bläser und die plötzlichen Aufschreie der Sänger dazu ein äquivalentes, beängstigendes Stimmungsbild. Wirklich eine sehr gute Fusion von Text und Musik! Mit Titel Nr. 3 geht es im Schubischudu-Rhythmus wieder in fröhliche Gefilde. Auch hier sorgen die starken Bläser und besonders das rockige Sax-Solo dafür, daß dieser Song unwiderstehlich unter die Gürtellinie geht. Nr. 4 fällt langsamer aus. Die Orgel trägt den einfachen Reggaerhythmus. Höhepunkt des Songs ist ein sehr schönes Trombone-Solo – wahrscheinlich von Rico Rodriguez. Ein erfrischender Cafehausreggae ist der Titel Nr. 5. Der off beat Rhythmus mit Calypsoelementen zwingt zum mitsingen. Blood, Sweat & Tears-ähnliche, fetzende Bläsersätze und ein maschinengewehrartiges Schlagzeug bietet Song Nr. 6. Terry und Neville brüllen dazu irgendwelche Filmtitel, und auch dieser Titel hat ein bärenstarkes Sax-Solo.

Zwei beginnt mit mexikanisch anmutenden Bläsern und brummenden Chorgesang zum Reggaerhythmus. Sehr passend zu den Don Kosackenchor-artigen Gesängen setzen die Specials hier Dub ein. Nr. 7 klingt sehr karibisch. Salsa und Calypso werden hier von der Band sehr gekonnt verarbeitet. Höhepunkt des Lieds ist wiedermm ein gutes Trombone-Solo. Mit Titel Nr. 8 wird es für Specials-gewohnte Ohren recht ungewöhnlich, denn hier hört man elektronisch angehauchte Unterhaltungsmusik, die Assoziationen an Flughaienwartehallen erweckt. Eigenartig aber auch einzigartig gut. Der vorletzte Song ist wieder vom Elektronik-Rock beeinflußt. Diese bedrohlichen Chorgesänge und die harten Bläser klingen wie die Musik zu reinem heißen Thrillers. Ausklang der Platte ist eine langsame Fassung von „Enjoy Yourself“, womit der Kreis dieser Platte, die wie ein atemberaubender Film wirkt, geschlossen wäre. The Specials – wie wahr, wie wahr!!!