Thea Gilmore – Harpo’s Ghost
Dieses kleine Knacksen, wenn ihre Stimme den Ton greift – als würde eine Plattennadel in die Spur einrasten. Dann der Aufstieg zum Gipfel der Sehnsucht, wo das Leben vor der Sängerin liegt und in den schattigen Tälern noch der Nebel steht. „Come on, come on fordert Thea Gilmore im ersten Song „The Gambler“ ihren Liebhaber. Hymnisch schmerzvoll entlädt sich der Refrain: Sex als Explosion eines Augenblicks, der kein Vorher und kein Nachher kennt. Aber die Sängerin weiß, dass dieser Moment nicht über den Rest des Lebens weglügen kann. „The List“ – der Kollaps der Hoffnung; zwei Menschen auf dem Weg nach unten. Kleinstadt, Träume, das Hotelzimmer, die Nadel: „I felt a bit like love“. Schienen liegen vor den Figuren in Theas Songs, Waggons öffnen ihre Türen. In „Red White And Black‘ ist es der letzte Zug zum Himmel, in „Whistle and Steam“ steht sie hypnotisiert am Bahnsteig, muss Abschied nehmen und dem Neuen entgegenfahren. In den besten Momenten ist das gespenstisch. Die Country-Tradition hat Gilmore gelehrt, wie man mit wenigen Bildern viel beschreibt. Von ihr hat sie gelernt, ihren Stücken mit ein paar Slide-Gitarren-Tönen Raum zu schaffen, sie mit einer Mundharmonika zum dramatischen Höhepunkt zu treiben. Diese Platte erzählt von der Unabwendbarkeit des Schicksals in Songs, die laufen wie eine Dampfmaschine, deren Kessel unter Feuer steht. Allerdings greift Gilmore diesmal auch gerne nach breitbeinigen Gitarrenriffs und poppig-catchy Melodien. Denn bei ihrem fünften regulären Album spielt sie auch mit der Möglichkeit des Erfolges in der Damen-Rock-Liga. Dass dabei in Songs wie „Everybody’s numb“ und „Going Down“ die Subtilität früherer Alben vor der Artverwandtes (The Faint Wet From Birth 2004/The Bravery The Bravery 2005)
Konventionatität kapituliert, hat einen unangenehmen Beigeschmack. Aber auch wenn dieser Blick auf die Masse das Album im Vergleich zu RULES FOR JOKERS nach unten zieht, steht Gilmore mit dem Rest der Stücke immer noch über den angesteuerten Kolleginnen. Und im Hidden Track des Albums offenbart sie in gedimmter Soundatmosphäre das eigentliche, schamanisch-exzessive Ziel ihrer Kunst: „Play to make the ghosts oppear, p[oy until the bottle’s gone.“
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