Thommie Bayer Band – Paradies
Thommie Bayer ist ein echter Problemfall. Manchmal prescht er vor bis an die Grenze zur Genialität, im nächsten Moment zerbröselt ihm ein Song in den Händen mangels geeigneter Verpackung. Und immer wieder gibt’s ein Kuddelmuddel, aus dem zunächst keiner schlau wird. Jüngstes Beispiel: PARADIES, das vierte Album der Thommie Bayer Band. Denn der Aufmacher „Kommunikationsbreakdown/Paranoia Blues No. 3″ hat nicht nur einen ultrapeinlichen Titel, sondern ist auch gleich das schlechteste Lied, das Thommie je aufgenommen hat. Bei diesem geistigenTiefflug untertrifft er spielend selbst den pausenlosen Trivialitätskontakt von so abgehalfterten Volkscowboys wie Gunter Gabriel oder Volker Lechtenbnnk. Deshalb zäumt man PARADIES am besten von hinten auf, oder man fangt erst mit dem Schluß der ersten Seite an. Denn Thommie ist immer dann am besten, wenn er Texte von Bernhard Lassahn («Land mit lila Kühen“) verarbeiten kann. Dann hat er eine hintersinnige und doch solide Grundlage für seine musikalischen Nuancen, für Tempowechsel und Phrasierungen, etwa in „Hotel Deutschland“, Tübingens verspäteter Antwort auf die Eagles. Obwohl bei PARADIES alle fünf Musiker der TBB ihre Ideen in einen Topf warfen und gemeinsam produzierten, blieben diesmal viele Register ungezogen, Thomrnies ehemals vielgerühmte Bandbreite, seine Raffinessen und musikalischen Spitzfindigkeiten, die seinen früheren Songs („Guten Tag“, „Feindliches Gebiet“) sogar Vergleiche mit den Beatles eintrugen, fehlen diesmal fast ganz. Aber so hat Thommie wenigstens seinen bisher schwächsten Punkt elegant umgehen können: seine Stimme. Auf PARADIES hört sich das, was Thommie Bayer mit dem Mikrofon vollführt, zum ersten Mal wie Gesang an. Trotz aller Abstriche: Thommie Bayer ist nicht wie seine Singer-Songwriter-Kollegen nur dann gut, wenn er Texte macht, die sich jeder sofort abschreiben möchte. („Familienpackung Freizeit/ die Dosis wird erhöht/Man ahnt schon, daß das Tempo/auf unsre Kosten geht/ Aber Hauptsache, wir sind gut gelaunt// Wer hat da eben geweint?/ Flachmann, Turner, Overdose, da geht noch jede Menge rein.“) PARADIES macht trotz seiner offensichtlichen Schwachstellen jedenfalls mehr Spaß, als die neuesten Alben von Ambros, Michels, Kunze und Maron zusammengenommen. „Liebe Eltern“ und „Titanic Rückfahrkarte“ (ausgerechnet die beiden letzten Stücke des Albums) sind einfach großartig. 4 Michael OR. Michael O.R. Kröher
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