Tiger Girl :: Regie: Jakob Lass

Gegen den Einheitsbrei: „Tiger Girl“ bringt die Gefahr zurück ins deutsche Kino.

Der deutsche Film hat ein Problem. Er ist zu nett. Und nett, das wissen wir, ist der kleine Bruder von scheiße. Vanilla in „Tiger Girl“ ist auch nett. Muckt nicht auf, wehrt sich nicht, sagt danke und ja und Amen, und ist blond. Dann lernt sie Tiger kennen. Und lernt, wie toll es ist, nicht nett zu sein. Aufzumucken, sich zu wehren, sich zu nehmen, was man will, dunkelhaarig zu sein. Tiger ist so, wie der deutsche Film öfter sein sollte. Unangepasst, laut, derb, asozial.

„Tiger Girl“ ist ziemlich genau so wie Tiger. Baseballschläger ins Gesicht, Fußkick in den Bauch. „To live outside the law you must be honest“, singt Dylan. Und ja, ehrlich ist dieser Film, so ehrlich, dass es weh tut. Frei sein, high sein, Gewalt muss dabei sein. Dylan würden Tiger und Vanilla aber vermutlich genauso in den Arsch treten wie alten Sponti-Sprüchen. „Tiger Girl“ ist nur sich selbst verpflichtet – seinen Themen und Figuren, dem Hier und Jetzt. Und er erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei gegensätzlichen Frauen so radikal und kompromisslos, dass einem die Bilder mit dem nackten Arsch ins Gesicht springen, auch wenn man ganz hinten im Kino sitzt. Widerstand ist zwecklos.

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Es ist ganz leicht, sich von „Tiger Girl“ und seiner unfassbaren Energie mitreißen zu lassen. Das ist Absicht. Ganz leicht wird es einem dagegen nicht gemacht, sich immer bedenkenlos hinter seine Hauptfiguren zu stellen. Auch das ist Absicht. Vanilla lernt schnell von Tiger, aber kapieren tut sie nichts. Vielleicht auch deshalb, weil Tigers Ehrenkodex schwammig ist und nur eine Entschuldigung dafür, zu tun, was man will, weil es sich gut anfühlt.

Wenn Vanilla auf offener Straße einer Frau mit der Faust ohne Ankündigung in die Fresse haut, dann tut sie auch nur, was sie will, um sich gut zu fühlen. Aber da läuft eben auch etwas schief. In diese Wunde legt der Film seine Finger: Er interessiert sich für die Sollbruchstellen, die aufeinanderkrachenden Gegensätze, die eigenen Widersprüchlichkeiten, die Regeln und wann man sie brechen sollte. Jakob Lass lässt seine beiden Heldinnen (Wahnsinn: Ella Rumpf und Maria Dragus) in- und auseinanderdriften, als wolle er Bergmans „Persona“ in einem Elektropunk-Club spielen lassen. Er stellt improvisierte Spielszenen gegen choreografierte Martial Arts, als würde „Fight Club“ in irgendeiner Gasse in Berlin nachgespielt. Es ist nach „Love Steaks“ der zweite Film von Lass. Er ist nicht nett. Und zum Glück alles andere als scheiße.

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