Was war, was bleibt von Franz-Maria Sonner
Ausgiebig durchgekaut ist es nun, das Jubiläumsphänomen 68, und der Senf, den Beteiligte und Ahnungslose dazugegeben haben, könnte inzwischen für ein globales Weißwurstfrühstück reichen. Und trotzdem wissen wir immer noch nicht, was da eigentlich passiert ist und vor allem: warum, über die bloßen Wischiwaschibegründungen von Spaßhaben bis Selbstbefreien und so hinaus. Freilich: Da hat ein Polizist einen friedlichen Studenten ermordet, hat die US-Armee ein fernes Land vernichtet, saßen Alt- und Neufaschisten auf Ministersesseln, Richterstühlen und in Wirtschaftsführerhauptquartieren herum-aber das hat doch sonst auch nie groß jemanden interessiert, solange die Nationalmannschaft gewinnt; wieso also der plötzliche Wirrwarr aus Gewalt und Tralala, aus Dope, Sex, Aufstand und Ekstase? Große Bögen machen die Exegeten traditionell um die Theorie, denn die riechen anstrengend, die vielen, vielen Bücher und Pamphlete, zumindest anstrengender als Uschi Obermaier, und am Ende stellt sich noch heraus, dass das gar nicht so dumm ist, was da drinsteht, oder dass man selbst zu dumm ist, es zu verstehen. Man kann sich’s aber auch anhören, was sie gesagt und gedacht haben, die (allesamt übrigens) Herren Adorno, Horkheimer, Bloch, Marcuse. Mit Scherlich und Dutschke und einige andere. Zwar versteht (oder: behält) man beim Hören aus neurobiologischen Gründen immer nur ein bisschen was, aber in Zeiten televisionärer Trottelriegen der Kategorie Westerwelle, Metzger, Sinn, Falter und Hundt ist es schon ungeheuer faszinierend, was für kluge Menschen sich früher mal öffentlich äußern durften, und nachlesen kann man dann ja hinterher. Drum vielen Dank an den bescheidenen Herausgeber (dessen Name nirgends vorkommt) für dieses schöne Hirnanregungsgeschenk an die Nachwelt.
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