Wiglaf Droste – Mariscos y Maricones

Als polemischer Pointenpirat hat sich der Droste in die Herzen geneigter TAZ-Leser geschrieben, spitzzüngig Wunden geleckt, in die andere am liebsten Salz streuen würden. Will heißen, daß der Kolumnist wie kaum ein zweiter dem aufgeklärten linken Bewußtsein aus dem blutenden Herzen spricht, das Kabarett also fortsetzt mit den Mitteln der frei flottierenden Eloquenz. Mit ruhiger Stimme liest Droste ausgewählte Sottisen und andere Streitschriften,die ihm bei seinen Attacken gegen die Windmühlen des Establishments so aus der Feder geflossen sind. Darunter Klassiker wie der Begriff vom „Sandsackdeutschen“, mit dem er die grundgermanische Verbrüderung zur Zeit des Oderbruchs geißelte, aber auch Naheliegendes – wie die rhetorische Demontage des Katholizismus oder geschmäcklerisches Geißeln der Grünen. Wer also noch nie das Vergnügen hatte, einer seiner Lesungen beizuwohnen, der kann sich mit MARISCOS Y MARICONES („Meeresfrüchte und Schwule“) die dialektische Dreckschleuder ins Wohnzimmer holen. Mit Boni Koller an der Klampfe covert Droste „Hotel California“ (mit neuem deutschen und irgendwie bissigem Text), und erlaubt sich gar die eine oder andere Koketterie, etwa wenn er sich komplex alliterierende Formulierungen mehrmals auf der Zunge zergehen läßt, Pointen verschleppt oder gar selbst mal ins Schmunzeln gerät. Oder ins Schwärmen, und das bleibt dann im Gedächtnis: „Die süßeste Form der Made ist das Mädchen“.