Wings – London Town

Die Vorzeichen waren gar nicht so übel. Wieder einmal wurde Paul von zwei Musikern sitzengelassen, als es in die entscheidende Phase der Plattenproduktion ging. Damals, als die Wings auf dem Wege nach Lagos waren, um „Band On The Run“ aufzunehmen, hatten sich kurz vorher Gitarrist Henry McCullogh und Drummer Denny Seiwell verabschiedet. „Band On The Run“ wurde bekanntlich zu einem sensationell guten Album. Ende ’77, als die ersten Tracks für „London Town“ eingespielt waren, verzogen sich Gitarrist Jimmy McCulloch und Drummer Joe English. Der Produktionsort, die Yachten vor den Jungfraueninseln, waren nicht weniger exotisch als das Studio in Lagos. Aber das Ergebnis, das fiel doch weit weniger spektakulär aus.

Paul McCartney wird sein Leben lang keine schlechte Platte abliefern, das kann man annehmen; zur Zeit allerdings merkt man ihm zu sehr den zufriedenen Familienvater an. In seine Musik hat sich eine Betulichkeit eingeschlichen, die alles andere als erregend wirkt. Alle Songs sind nett, hübsch verpackt, aber eine elektrisierende Nummer wie einst „Jet“ hat er hier leider nicht auf Lager. Da kann er bei „Name And Address“ ruhig eine witzige Rockabilly – Persiflage bringen oder hin und wieder mit vertrauten Harmonien aus alten Beatles-Tagen spielen, die Stimmung wächst eigentlich nie über eine gemütliche Session-Atmosphäre hinaus. Draußen auf dem Schiff hat ihn eine Vollmondnacht leider auch zu Verlegenheitsreimereien wie „Laß dich nicht unterkriegen, auch wenn der Sand der Zeit auf dich herniederrieselt“ verleitet.

„London Town“ ist die typische Platte, die man auflegt, wenn man sich’s gemütlich macht und besonders aufnahmefähig für feine akustische Passagen ist. Dann schmunzelt man über das originelle Lied von den „Famous Groupies“ oder über den Shantie „Morse Moose And The Grey Goose“. Aber leider fällt dabei auf, daß auch ein Paul McCartney musikalische Belanglosigkeit ausbrüten kann. Vielleicht sind ihm am Ende der Aufnahmen die verregneten Tage in London zu sehr auf den Geist gegangen, während er auf den Jungfraueninseln offenbar in Ausflugsstimmung schwelgte. Am besten bleibt er wohl zuhause in Schottland, da wird er wenigstens zu Titeln wie „Mull Of Kintyre“ inspiriert.