XTC
GO 2
Dies ist eine Plattenbesprechung. Mit dieser Plattenbesprechung versuche ich mit Worten den Leser auf eine Platte aufmerksam zu machen. Wenn er sie gelesen hat, will er vielleicht die Platte hören – in diesem Fall das zweite Album von XTC, „GO 2.“ Vielleicht wird er es dann kaufen. Denn eine Platte ist ein Produkt. Und ein Produkt soll konsumiert werden. Und der Leser ist der Konsument. Diese Kritik ist ein Produkt und soll gelesen werden.
Wer das neue XTC-Album noch nicht in der Hand gehabt und das Cover gelesen hat, das Innencover, das Plattenlabel und die Anzeigen der Plattenfirma, kann ruhig denken, daß die vom ME jetzt völlig übergeschnappt sind. Wer das aber alles kennt, weiß, daß sie alle mit den simpelsten Erklärungen vollgedruckt sind, im Stil von Gebrauchsanweisungen, wie die Einleitung zu dieser Kritik. Dieser Werbegag ist deshalb doppelt provokativ, weil er sich selbst auf den Arm nimmt und gleichzeitig für sich wirbt. Das ist ein Trick. Ein guter.
Nun aber zur Musik. Dem zweiten XTC-Album kann man nicht, wie dem ersten vorwerfen, es sei stellenweise zu uneinheitlich, chaotisch oder provisorisch. Es ist so explosiv und zum Bersten voll mit Gags wie ein Sylvesterfeuerwerk. Der klare, einmalige und kompromißlose Stil verlangt dem Hörer allerdings eine gehörige Portion Humor ab. Einmal mehr entpuppen sich die vier Engländer als die Musik-Clowns der New Wave. In respektloser Trotzhaltung schleudern sie naiven Spott wie Popcorn aus den Lautsprechern. Frech und unverschämt geschmacklosstottern sie ihre Unsinns-Texte, klimpern die Keyboards, lassen Baß und Schlagzeug weise mit dem Kopf nicken und die Gitarre aufsäßig dazwischenquatschen. Das ist ein Comic-Trip für Erwachsene, die gern mal heimlich die Zunge rausstrecken, mit der Nase blecken oder mit dem Fuß aufstampfen. Geschichten von Charlie Brown erscheinen dagegen wie ein Kursus aus dem Benimm buch für I nternatszöglinge.
XTC legt den träge gewordenen Musikern Reißnägel unter die Gitarrensaiten, steckt ihnen weiße Mäuse in die Klaviertasten und huscht als Nachtgespenst durch vornehme Rockpaläste, um wohlgenährte Rockzaren bei ihrem Mitternachtsdinner zu erschrecken. Dreizehn avantgardistische Bubblegum-Songs, von denen mir „Life Is Good In The Green House“, „Super-Tuff“, „I’m The Audience“, „The Rhythm“ und „Red“ am allerbesten gefallen. Wer keinen Humor besitzt, sich für erwachsen, ernsthaft und musikbeschlagen hält, der sollte vielleicht die Finger davon lassen. Sonst kriegt er bloß ärgerliche Stirnfalten. Denn dies ist eine positive Plattenbesprechung. Und wer sie bis jetzt gelesen hat, der sollte wissen, daß XTC eine ausgezeichnete Platte ist und ein ausgezeichnetes Produkt. Und das Produkt braucht einen Konsumenten. Und der Konsument seid ihr. Und wenn ihr sie nun endlich gehört habt, werdet ihr vielleicht nicht bereuen, diese Platte gekauft zu haben und auf diesen Werbetrick reingefallen zu sein.