ZZ Top :: Köln, Sporthalle

Handwerk hat goldenen Boden. Und Tradition -— ein Wort, das der Popmusik bisher fremd war -— erhält einen zunehmend größeren Stellenwert. Anders ist es kaum zu verstehen, daß ZZ Top, ein kauziges Trio aus dem texanischen Süden, nach zirka zehnjährigem Schattendasein trotz konsequent unmodischem Stil und Habitus plötzlich in Mode kommt. Erst ihr neunter Longplayer wurde zum verdienten Vier-Millionen-Coup. Erst heuer sind ihre Tourneen das, was die Firmen-Superlative („Sie sind die absolute Live-Band!“) vorab suggerieren: Triumphzug, Riesenfete, Party.

Die Gala der US-Exoten wurde eingeleitet von dem bundesdeutschen, aus Ingolstadt stammenden Hard-Rock-Quintett Bonfire, dem die ehrenvolle Aufgabe zufiel, an 28 Konzerttagen in ganz Europa Stimmung für ZZ Top zu machen. Ums vorwegzunehmen: Sie schlugen sich bravourös. Nach der auch auf dem Debütalbum DONT TOUCH THE LIGHT zu hörenden Geräusch-Ouvertüre entwickelten Bonfire auf der Basis eines eingespielten Rhythmusteams ihren volltönenden, melodisch eingängigen, zupackenden Zwei-Gitarren-Rock. Bei dem Riff-Gipfelpunkt“.Hot To Rock“ sowie den zwei Abschlußtiteln „Destiny“ und „Bad Widow“ hatten Bonfire die ausverkaufte Sporthalle und ein erfolgreiches Kurzkonzert hinter sich.

Und dann ZZ Top. „the little old band from Texas“ ganz groß. Daß sie als waschechte, wenn auch schrullige Amerikaner den Fetisch Auto und den damit möglichen Geschwindigkeitsrausch als amerikanisches „Urerlebnis“ verherrlichen, wurde hier nicht nur hörbar, sondern auch augenfällig. Der Bühnenaufbau bestand aus einer maßstabgerechten Nachbildung eines alten Roadster-Armaturenbrettes, inklusive farbig blinkender Lämpchen und darin versteckter Backline. Ansonsten zwei Monitore, kein Kabel-Schnickschnack, dezente Lasershow, halbkreisförmige Vorbauten für die Gitarristen Billy Gibhon (g, voc) und Dusty Hill (b, voc). Schlagzeuger Frank Beard — mit diesem Namen sinnigerweise der einzige ohne gepflegten 50 cm langen Rauschebart — thronte mit seinem Trommelgerät über der Armatur, etwa auf der Höhe des Aschenbechers, Um im Bild dieser Bühne zu bleiben: Anschnallen, Gas und ab …

Was als geballte Ladung aus diesem überdimensionierten „Car Stereo“ dröhnte, drückte jeden der Achttausend in den imaginären Sitz. Die rennbegeisterten Texas Boys spielten wie ein Uhrwerk, wippten mit den Barten, warfen die Beine und präsentierten —- fast nebenbei —- den flüssigsten Blues Rock seit Johnny Winter.

Mehr noch als der Albino haben auch ZZ Top den Blues entkernt. Von der zentralen Botschaft, von Blut, Schweiß und Tränen ist nicht viel mehr geblieben als das zwölftaktische. dreiakkordische Gerüst. Darin hangelt

sich Griffbrett-Turner Billy mit geradezu beängstigender Perfektion von Note zu Note. Ob entfesseltes Feedhack-Kreischen, gläsernes Single-Note-Spiel, druckvoll-aggressive Riff-Reihen. Gibbons schöpft mit erschreckender Brillanz aus dem Zitatenschatz seiner Lehrmeister. Wäre da nicht jene eigentümliche „Blue Metal“-Mischung, dieser Bastard aus Blues, Boogie und HM-Riffs, dann bestünde bei aller rhythmischen und klanglichen Dichte die Gefahr, daß der „Afterburner“ im Leerlauf verglüht. So jedoch verwandeln ZZ Top Sporthallen in riesige Partykeller, erhalten von achttausend gutgelaunten Gästen, die sich an dem Material von ELIMINATOR, AFTER-BURNER und Einzelstücken von den acht anderen LPs laben, stehende Ovationen.

Show-Gag zum Schluß: Die beiden links und rechts postierten Gitarristen spielen auf verplüschten Instrumenten zum Konzert-Countdown. Trockeneisnebel schießt hoch. Als sich der Dampf lichtet, sind die Musiker verschwunden. Weggebeamt! Übrig bleiben die Gitarren, die sich — wie von Geisterhand bewegt — um ihre eigene Achse drehen. „They can’t stop rocking?!?“