Rezension: George Michael live in Berlin


George Michael geht mit Orchester auf Tournee. Beim Auftaktkonzert seiner Deutschlandtour in der Berliner O2 World zeigte er allen privaten Eskapaden zum Trotz, dass er immer noch ein großer Sänger ist. Nur seine Musiker scheitern an so mancher Neuinterpretation der Popsongs.

(Galerie: die 33 besten Songs von George Michael)

„Nein, denn ich würde mir vorkommen wie Rod Stewart!“ – 1999 lehnte George Michael Angebote ab, mit einem Orchester aufzutreten: Er wolle kein Nachlassverwalter seines oder eines fremden Backkatalogs werden, den er klassisch aufbereite. Wäre zu rührselig, so was soll der alte Rod machen.

Nun hat sich auch der 48-Jährige George Michael in die Riege der Interpreten eines Songkanons eingereiht, der keine eigenen oder fremden Lieder kennt, nur  … gute.  Er hat halt kein neues Album zu promoten, das letzte, „Patience“, datiert auf 2004. Aber: Die Orchester-Sache fühlt sich nicht so richtig gut an bei ihm. Welches Konzept soll dem Set auch zugrunde liegen? Er covert Nina Simone. Er covert Terence Trent D’Arby. Er covert Amy Winehouse. Es sind allesamt gute Songs, sogar Rihannas „Russian Roulette“.  Nur fehlen bei George Michael die Zusammenhänge, die seine Auswahl erklären. Er sagt über New Orders „True Faith“: „Mir ist klar geworden, wie gut die Lyrics sind.“ Ist das Nonchalance, Demut, beides?

Sein Konzert hat den Charakter einer Nummernrevue, in der er wie ein swingender Entertainer zwischen den Jahrzehnten springt. Es wirkt so, als würde er mit jedem Song eine neues Gemälde zeichnen wollen, das er dann aber nicht abschließt. Dass auf sein eigenes „It Doesn’t Really Matter“ das Bing-Crosby-Cover „Brother Can You Spare A Dime?“ folgt – das liest allein ja schon schwierig. Das Orchester hält mehr oder weniger gut mit. Die ins Jazzige übersetzen Coverstücke seines „Songs from The Last Century“-Albums sind nicht das Problem, sie klingen wie auf Platte. Es sind die eigenen Lieder. Der Kontrabass-Walzer von „ Cowboys and Angels“? Wird totorchestriert. Die Keyboardwucht von „Praying For Time“? Schunkeln für Weltverbesserer, plus Streicher.

George Michael weiß ja nie, wohin mit seinem schlaksigen Körper. So macht es jedoch auch Spaß ihm zuzusehen. Er klatscht, seit er 1982 sein erstes Video drehte, immer mit  weit ausladenden Armen, dazu gewichtet er dann mal das rechte, dann das linke Bein. Das ist sein Tanz. Neu ist seine „modulierende Hand“. Wie ein Gesangslehrer unterstreicht er die jeweilige Tonhöhe mit Pegelstandsanzeigen.

Aber genug der Kritik. Die gute Nachricht: Er ist, wie schon bei seiner „25 Live“-Tour von 2006, fabelhaft bei Stimme. Nur die ganz hohen Töne fehlen. Diese Verfassung hätte man nicht voraussetzen müssen, denkt man an seine jüngeren Drogengeschichten.  Er stellt sogar einen neuen Song vor, „Hope Where You Are“. Aber bitte, bitte: Den darin vorgeführten Auto-Tunes-Effekt sollte er schnell in die Mottenkiste verfrachten. Sonst wirkt George Michael wirklich ganz, ganz alt.