Rinus Gerritsen führte exklusiv für Musik Express ein US-Tour Tagebuch


Golden Earring, Hollands momentan heissester Rock-Export-Artikel, erregte mit der bei Redaktionsschluss noch andauernden Tour durch die Vereinigten Staaten eben dort mehr Aufsehen, als selbst die grössten Optimisten vorausgesehen hatten. Was Slade oder T.Rex mit ihrer dritten US-Tournee noch nicht einmal zustande brachten — die rockenden Ohrringe aus Holland schafften es auf Anhieb: 'Radar Love', ihre erste wirkliche Smash-Single und das 'Moontan'-Album, platzten gleich bei Tournee-Beginn in die 'Hot 1OO'-Hit-Listen. ME-Fotograf Claude Vanheye, der Golden Earring auf ihrer unglaublichen Tournee durchs Land der unbegrenzten Möglichkeiten begleitete, begriff nichts mehr. Er meinte: "In Los Angeles traten die Earring nur (!) als Vorprogramm-Gruppe auf — dennoch wurden sie über Nacht zum Stadtgespräch. Macht euch in Europa auf was gefasst, Barry, George und Cesar sind Weltstars, wenn die Tournee beendet ist." Kein Wunder, wo sie doch in den Staaten unter anderem zusammen mit der Steve Miller Band, Procol Hamm, der J. Geils Band und mit Boz Scaggs auftreten. Die Schlusskonzerte dieser Tour versprechen übrigens ein sensationeller Höhepunkt zu werden. Drei Tage lang soll Golden Earring zusammen mit den Who (!) im New Yorker Madison Square Garden das Haus füllen. Au warte! Rinus Gerritsen, Earring-Bassist, hat für MUSIK EX-PRESS ein Tournee-Tagebuch geführt, das exklusiv auf diesen Seiten zu lesen ist. Falls im weiteren Verlauf der Tour noch unerwartete Überraschungen stattfinden sollten, kommen wir darauf natürlich im nächsten Monat noch einmal zurück. Das Wort hat jetzt Rinus: Claude hat mich gerade daran erinnert, dass ich den MUSIK EX-PRESS-Redaktionsschluss nicht verpassen darf. So viel gibt es eigentlich noch gar nicht zo erzählen, denn wir haben gerade erst vier Auftritte hinter uns. Ich nehme an, dass es in einem Monat mehr zu berichten gibt. Briefeschreiben auf dem Knie in einer Hotel-Lobby ist noch nie meine starke Seite gewesen hoffentlich kommen diese Zeilen noch rechtzeitig in der Redaktion an. So, der Übersichtlichkeit halber werde ich jetzt jeden Tournee-Tag im Telegramm-Stil bescheiben, okay?

28. April:

Abflug Amsterdam-Schiphol 1.15 Uhr. Ankunft New York 3.15, ein Zeitunterschied also von fünf Stunden. Wir brauchten bestimmt wohl zwei Tage, bevor wir uns dem neuen Zeitrhythmus angepasst haben. Man fühlt sich nach sowas immer abgeschlafft und müde.

29./30.April:

Wie ich schon sagte, noch immer mit dem Akklimatisieren beschäftigt. Ausserdem einen Einkaufsbummel gemacht. Der Musikmarkt ist hier natürlich sehr interessant. Ich hab‘ mir eine ziemlich aussergewöhnliche, gebrauchte Bassgitarre gekauft. Hier herrscht eine Bullenhitze von 28 Grad, aber in New York kommt es einem hoch wärmer vor wegen der Wolkenkratzer und dem wahnsinnigen Strassenverkehr. Interviews gemacht mit den wichtigsten Musikzeitschriften (Billboard, Recordworld, Cashbox, etc).

1 Mai:

Wir fliegen nach Washington zum ersten Auftritt. Spielen zusammen mit ‚Boz Scaggs‘ (Diese Gruppe spielt ungefähr in der gleichen Besetzung wie Blood, Sweet & Tears)

2 Mai:

Weiterflug nach West Palm Beach (Florida). Jetzt stehen drei Konzerte mit der J. Geils Band auf dem Programm. Das ist schon sehr dufte, denn die haben so ungefähr die gleiche Art Publikum wie wir. Das Wetter ist hier natürlich fantastisch. Die Halle ist ausverkauft (Sporthalle mit 9000 Plätzen). Wahnsinns-Erfolg übrigens.

3 Mai:

Wir fliegen nach Tampa (Florida). Ähnliche Halle wie in West Palm Beach (10000). In Florida stehn sie alle sehr auf unserer Musik. Unsere Platten werden hier ziemlich häufig bei wohl allen Rundfunk-Stationen gespielt. Jemand meldet sich am Telefon, um uns mitzuteilen, dass ‚Radar Love‘ in den ‚Top 100‘ des Billboard Platz 99 erklommen hat (mit einem Sternchen, das die Aufstiegs-Tendenz markiert). Die Moontan-LP liegt auf Platz 144. Das ist für den Anfang schon mal recht ermutigend.

4 Mai:

Flug nach Miami (Florida). Dies ist der letzte Auftritt In Florida und mit der J.Geils Band. Heute kommt Claude bei uns an und schiesst jede Menge Fotos. Nach dem Konzert haben wir so eine Art Abschieds-Party in der Garderobe. Es sind hier gerade auch Filmaufnahmen gemacht worden für den Nachfolge-Streifen zu ‚That’ll Be The Day‘.Das gesamte Film-Team (inklusive David Essex) ist auf unserer Party. Peter Rudge, unser Tour-Manager (der auch die Stones- und die Who-Tourneen organisiert), wird krank, weil‘ er ’ne verdorbene Mahlzeit zu sich genommen hat. Zum Glück erholt er sich sehr schnell wieder, denn was er für uns leistet, ist nicht mit Geld zu bezahlen. Wir wollen auch einfach nicht auf ihn verzichten, weil er so ein dufter Typ ist.

5. Mai:

Freier Tag Im Miami. Unser Hotel liegt direkt am Strand — na, das sagt schon alles. Claude fotografiert wieder wie ein Verrückter und will diese Zeilen mitnehmen, um sie an die ME-Redaktion durchzugeben. Also muss ich jetzt zum Schluss kommen. Morgen fliegen wir nach Clncinatti. Treten dort mit Procol Harum auf. Wir erfahren gerade, dass wir In Deutschland und Holland mit ‚Instant Poetry‘ ganz oben in den Hitparaden gelandet sind, und das muss natürlich gefeiert werden. Schliessllch sind wir als Niederländer froh darüber, dass man uns in Europa nicht vergisst, während wir versuchen Amerika zu erobern …