Rise Against über den Weltuntergang


Ende März stand Endgame von Rise Against auf Platz eins der deutschen Charts. Ein düsteres Album, voll bitterer politischer Beobachtungen über den Niedergang unserer Zivilisation. Geschrieben hat die Songs Tim McIlrath, Veganer und Tierschutzaktivist. Ein Gespräch über den Ethos des Punk, den Zwang zum Fortschritt und die Frage, wie es weitergeht mit der Welt.

Herr McIlrath, das Cover des neuen Albums Ihrer Band erinnert stark an „The Road“, den Endzeit-Film nach dem Roman von Cormack McCarthy …

Tim McIlrath: Das war Absicht. Der Film kam heraus, als wir über Endgame nachdachten. Und er visualisiert, worum es uns auf dieser Platte geht: Das Ende der Zivilisation.

Keine leichte Kost …

Nein, aber wir wollten dahin kommen, dass es inspirierend statt lähmend sein könnte, darüber offen zu reden. Weil wir noch immer die Chance haben, etwas daran zu ändern. Deshalb zeichne ich in den Texten das Bild einer Welt, die aus der Asche neu geboren wird. Die Hörer sollen sich fragen, warum wir nicht schon heute in einer solchen besseren Welt leben können.

Ist diese Untergangsstimmung nicht ein speziell US-amerikanisches Phänomen?

Vielleicht, ja. Aber ich kann nicht mehr nur über die USA sprechen. Die Probleme, um die es geht – Kriege, Umweltverschmutzung, Klimakatastrophen, Gier – betreffen die ganze Welt, nicht nur die USA als sogenannten Motor der zivilisierten Welt. Die Welt ist mehr als ein Gebilde mit engen Grenzen. Das gehört zu den Sachen, die einem beim Touren klar werden. Unsere Gemeinsamkeiten sind größer als unsere Unterschiede.

Wenn Sie von „Zivilisation“ sprechen, dann meinen Sie damit die westliche …

Ja, natürlich. Die Welt, die gerade dabei ist, zusammenzubrechen, ist dieselbe Welt, in der es sich ein paar Leute immer noch leisten können, Geld für ein Konzertticket hinzublättern, das ist schon klar. Aber die Krise ist nicht nur eine der entwickelten Welt, sie betrifft auch alle anderen Staaten. Was, wenn Afrika irgendwann den gleichen Luxus beansprucht, in dem wir leben? Die Dinge greifen alle ineinander, das ist Globalisierung.

Während der Regierungszeit von George W. Bush betrat kaum ein US-Künstler die Bühne, ohne sich für seinen Präsidenten zu entschuldigen, das konnte schon nerven …

Eben! Bush war nur ein Symptom. Mit seinem Verschwinden sind ja die Probleme nicht verschwunden. Und die Kräfte, die ihn ins Amt gehoben haben, sind auch noch alle da und warten nur darauf, jemanden ins Weiße Haus zu bringen, den sie genauso kontrollieren können.

Woher kommt der Anspruch, Musik mit politischem Inhalt zu machen? Sie könnten auch übers Saufen singen …

Nein, könnte ich nicht. Du trägst das Politische sozusagen in deiner DNA, wenn du in der Punkszene aufwächst. Nimm nur mal alleine unseren Namen: Rise Against, erhebe dich … gegen was eigentlich? Das muss sich jeder selbst fragen. Außerdem war es vor allem unser Publikum, das uns zu der Gruppe gemacht hat, die wir heute sind. Einfach, weil die Leute manche Songs anderen, vielleicht unpolitischeren Stücken vorzogen. Heute bereisen wir manchmal Teile der USA, in denen das Publikum extrem gereizt reagiert, wenn man mal etwas gegen den Krieg im Irak sagt oder so. Von der Bühne aus kann man sehen, wie da eine Grenze quer durchs Publikum läuft. Da kommt es dann auch mal zu Prügeleien …

Es gibt auch konservative Rockbands und Künstler in Metal, Hardcore und Punk, die sich sehr gut mit den bestehenden Verhältnissen arrangiert haben.

Mag sein. Aber „konservativer“ oder „reaktionärer Punkrock“, das ist ein Widerspruch in sich und kann den echten, eben linken Ethos des Punk nicht antasten. Wenn sich eine Band als „rechts“ oder „christlich“ outet, dann kommt das natürlich in der Presse immer gut. Es repräsentiert aber nicht mehr, wofür Punk steht.

Währen wir reden, steht Endgame erstmals auf Platz eins der deutschen Charts. Wird es mit dem Erfolg nicht unmöglich, noch ein echter Punk zu sein?

Es wird schon schwieriger, das stimmt. Aber ich glaube, wir sind am Boden geblieben. Wir haben dieselben Freunde wie früher, leben noch in derselben Stadt und halten uns von roten Teppichen fern.

Wie könnten die globalen Probleme, um die es Ihnen geht, eigentlich gelöst werden?

Da fragen Sie den Falschen!

Aber Sie singen doch darüber! Wo sollte man anfangen?

Ich glaube, das größte Problem ist die Gier. Das Gefühl, alles müsste immer weiter gehen, immer weiter wachsen. Das ist es, was uns in die Sackgasse führt. Neulich waren wir in São Paulo, und schon auf dem Weg vom Flughafen ins Hotel kam uns diese Stadt irgendwie eigenartig vor … bis wir merkten: Es gibt hier keine Werbung! Keine Plakate, keine Leuchtreklamen, nichts. Das ist dort verboten. Und was passiert? Die Stadt kommt wieder zum Vorschein! Die Architektur! Die Menschen! Und es sieht nicht aus wie überall sonst. Also: Wenn man uns nicht andauernd mit Bedürfnissen stopfen und einreden würde, was wir alles kaufen sollen, dann wäre ein Anfang gemacht.

Die Hardcoreband Rise Against gründete sich 1999 unter dem Namen Transistor Revolt in Chicago, Illinois. 2001 erfolgte die Umbenennung und die Band veröffentlichte ihr Debütalbum, The Unraveling. Außer Drummer Brandon Barnes zählen sich alle Bandmitglieder zur Straight-Edge-Kultur. Ihre aktuelle Platte ist nicht nur hierzulande erfolgreich, in den USA erreichte sie Platz zwei der Charts.