Robert Palmer


Robert Palmer, früher Sänger bei Vinegar Joe, stiehlt sich mit Sally durch die Gasse; Sally zerzaust im Spitzenunterrock. Abgebildet ist die Szene auf dem Cover der LP „Sneakin’Sally Through The Alley“. Robert Palmer spielt gelangweilt an der TV-Fernbedienung, während sich eine schöne Nackte über die Balkonbrüstung lehnt; Blickfang auf dem Cover des Albums „Pressure Drop“. Palmer spielt Strip-Poker mit einer kusprigen Exotin: Augenschmaus auf dem Cover der dritten, kürzlich erschienenen Palmer-Platte „Some People Can Do What They Like“. Dieser letzte Titel ist mehr als nur ein flotter Spruch: Robert Palmer, ein aufgehender Rockstar, ein schöner Mann von Hollywood-Format, ein ehemaliger Designer, kann sich offenbar in der Tat ganz nach Belieben entfalten. Und Chris Blackwell, der Island-Boß, der in produziert, rückt munter das nötige Geld dafür raus.

Zwölf Jahre steht Palmer jetzt auf der Bühne, doch erst seit seine Schallplattenfirma in ihm den „nordischen Rudolf Valentino“ entdeckt hat — das muß so um 1974 gewesen sein — kann er auf den Vorschußlorbeeren seine Narrenfreiheit aufbauen. Drei Stunden, nachdem er damals seinen Solo-Vertrag bei Island unterzeichnet hatte, schickte ihn Chris Blackwell in die Staaten, nach New York und New Orleans. Die Produktion von „Sally“ verschlang durch den Einsatz bester Studio-Musiker und den Spesenaufwand ein ganzes Bündel Tausender.

Für Palmers erste Solo-Scheibe wurden die Meters angeheuert und Studio-Stars wie Cornell Dupree, Bernhard Purdie oder Richard Tee für die rockigen R&B-Basis verpflichtet. Am Piano und bei den Kompositionen half Little Feat’s Lowell George (das tut er übrigens noch heute).

In Europa nahm indes niemand Notiz von der LP, in den USA war die Resonanz mäßig. Trotzdem blieb „Sneakin‘ Sally Through The Alley“ bisher das Produkt, das Palmers Personality eines „blauäugigen R&B-Sängers“ am geschicktesten verwirklichte. Ihm liegt das Rock-Element ganz einfach mehr als die kommerziell verpackten Balladen, die er sich für die folgenden zwei Langspielplatten aussuchte.

Tour mit Little Feat Während Robert Palm er 14 Tage lang mit Little Feat durch die Staaten tourte, produzierte er nebenbei bereits einen Teil seiner zweiten LP „Pressure Drop“. Mit den Motown-Leuten Ed Green und James Jamerson, beides Top-Musiker, schloß er die Arbeiten in Los Angeles ab. Kosten spielten wiederum keine Rolle. Blackwell öffnete großmütig seine Brieftasche, und Palmer bediente sich ohne falsche Scham. Projekt Nummer zwei sollte sehr kommerziell ausfallen, also war auch die Gage für Barry White’s Arrangeur Gene Page übrig. Streicher sind allerdings kein Patentrezept, und so fiel der Versuch nicht ganz überzeugend aus — was Palmers Persönlichkeit als Musiker angeht.

Die Platte verkaufte sich ganz gut, obwohl seine sechswöchige Amerikatour durch Clubs mit meist gelangweiltem Publikum nicht sonderlich gut lief. Die Kritiker äußern sich jedoch freundlich bis euphorisch. Die LP brachte Robert Palmer das erträumte Haus in Nassau auf den Bahamas ein, das Konzert hatte sich für den amerikanischen Markt als gewinnträchtig erwiesen. Trotzdem, vieles an dieser LP klingt aalglatt.

Auch „Some People Can Do What They Like“ fehlt es zuweilen an den nötigen Vibrations, obwohl dies die handwerklich perfekteste LP ist. Zehn Musiker sind daran beteiligt: drei Singers, der Pianist Steve Robbins, der Gitarrist Jerry Weiner, Jody Linscott von Kokomo für die Percussion, das Baß/Schlagzeug-Gespann Pierre Brock und Roger Bethlemy, sowie James Smith (org), der bereits an den früheren Studio-Sessions beteiligt war. Mit dieser Crew ging Robert auch erfolgreich auf Tournee.

Sex-Symbol „Some People erkämpfe sich Platz 48 der US-Charts. Chris Blackwell strahlte. Endlich hatte sich sein Goldjunge durchgesetzt. Auch wenn Europa sich weiterhin taub stellt — in den Staaten avanciert Robert zum neuen Sex-Symbol. Also kein Grund für Chris Blackwell, den Tausendern nachzuweinen oder gar seinem Interpreten Zügel anzulegen. Robert „managt“ sich seit Beginn seiner Solo-Karriere nämlich selbst. Und so verordnete er sich jüngst auch keine der üblichen Promotion-Reisen für neue LPs, sondern Erholungsurlaub auf den Bahamas.

Palmer hat sich ganz schön gemausert. Als er einst bei Vinegar Joe spielte, wirkte er mehr wie ein fünftes Rad am Wagen.

Elkie Brooks zog sowieso die Aufmerksamkeit auf sich, und die musikalischen Zügel lagen fest in der Hand von Pete Gage. Drei LPs nahm Robert Palmer mit der Gruppe auf, danach zog er sich frustriert zurück. Komischerweise löste sich daraufhin die ganze Band auf. Wie es heißt, hatten Island Records Vinegar Joe nur wegen Robert Palmer unter Vertrag genommen… Kein Wunder also, daß Chris Blackwell sofort auf sein erstes,nur mit Baß und Rhythmusmaschine aufgenommenes Demo ansprang und acht Tage Amerika bewilligte.

Die Geldanlage scheint sich nun auszuzahlen. Trotzdem muß Palmer die kleinen musikalischen Unvollkommenheiten seiner LPs noch immer mit männlichem Charme vertuschen, den smarten Eroberer auf der Plattentasche wirken lassen. Denn noch braucht seine Musik mehr Tiefe, ohne die er vorerst noch ein wenig „plastic“ wirkt.